Asozialität im Stadtbild

Bildrechte: MSD Sharp & Dohme GmbH (MSD).

Der Begriff „asozial“ hat Hochkonjunktur. Doch was die wenigsten wissen, diese Art alles was nicht so ganz in die Gesellschaft passt als asozial zu bezeichnen hat Tradition, im Dritten Reich wurden diese Menschen mit dem schwarzen Winkel versehen. Den Menschen die das Label „asozial“ verpasst bekamen, galten als Überträger von Krankheiten und den allgemeinen Sittenverfall und wurden in Schutzhaft genomen. Diese Schutzhaft war nicht etwa zu ihrem eigenen Schutz gedacht sondern dem Schutz des Volkskörpers. Wenn große Pharmafirmen um den Absatz ihrer völlig überteuerten Medikamente zu erhöhen dann diese „Asozialität“, also das Anderssein stigamtisieren sind wir wieder einen Schritt näher an unserem Erbe. Nicht dass ihr mich falsch versteht, Krankheitsprävention ist wichtig und richtig, aber nicht indem man mit Stereotypen so schamlos arbeitet, weil es im Stadtbild nen größeren Aufmacher macht. Auch wenn in eher studentischen Kreisen, Homosexualität, Piercings und Tattoos deutlich akzeptierter sind, gilt das nicht für alle Teile unserer Gesellschaft.

Merck Sharp & Dohme (MSD) oder Merck wie es in Amerika genannt wird, ist ein „kleines“, internationales Unternehmen, der fünftgrößte Arzneimittelhersteller und wirbt anscheinend homophob, sowie gegen alternative Lebensentwürfe. Vorallem wird die Hauptursache für die Übertragung einfach nicht erwähnt, ein Bild davon würde zu sehr schocken. Es würde einen Menschen mit einer Nadel in der Hand zeigen der sich gerade einen Schuss setzt.

Wieso homophob, wieso werden Menschen als „asozial“ beziehungsweise anders stigamtisiert? Ungeschützter Geschlechtsverkehr oder „bestimme Sexualpraktiken“ werden hier sofort durch das Bild mit zwei homogeschlechtlichen Menschen verknüpft. Wenn heterosexuelle Menschen miteinander ungeschützten Geschlechtsverkehr haben stecken sie sich anscheinend nicht an. Wieso ist das scheiße? Durch die Verknüpfung mit einer Krankheit wird dieser alternative Lebensentwurf stigmatisiert.

Die gesamte Kampagne von MSD „Gesundheit“ basiert auf der Bedienung von Vorurteilen. Es mag durchaus stimmen, dass einzelne zu den Risikogruppen gehören, das liegt allerdings nicht daran, dass sie „anders“ sind, sondern daran, dass mangelnde Aufklärungsarbeit praktiziert wird. Man sollte daher wirklich aufklären und nicht eine Krankheit als Vehikel einer Gesundheitskampagne benutzen um den eigenen Umsatz zu stärken. So erinnert die Stigmatisierung dieser Menschen als krank durch die visuelle Konnotation an die Kampagnen zum „gesunden Volkskörper“ der NS-Zeit und heutiger Rechtspopulist*innen. Dazu muss man sagen, dass Pharmaunternehmen seit dem medialen Aufschrei um Martin Shrekli nicht unbedingt positiv in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden und daher neue Vertriebswege suchen, bzw. diese auch bewerben möchten. Profitmaximierung ist eben eine wichtige Triebfeder.

Auf der Website wird als Hauptinfektionsquelle das intravenöse Einbringen von Drogen in den Körper dargestellt. Dies ist meistens mit schmutzigem Spritzbesteck verbunden. Dabei ist allerdings nicht das Spritzen das Hauptproblem, sondern die Illegalität, bzw. die damit verbundene Stigmatisierung und die Errichtung einer Parallelgesellschaft in der nicht gut genug aufgeklärt wird. Es ist auch in Großstädten schwer Räumlicheiten zu finden, in denen mensch betreut Drogen konsumieren kann. Wäre da nicht eine Aufklärungs- und Präventionskampagne zu Drogenkonsum wichtiger und sinnvoller, als diese Stigmatisierung einer marginalisierten Gruppe von Menschen? Dazu kommt, dass die Website auch explizit schreibt:

„Auch das Stechen eines Tattoos oder Piercings kann unter unhygienischen Bedingungen eine Ansteckungsgefahr bergen. Ebenso ist bei bestimmten ungeschützten Sexualpraktiken eine Übertragung möglich.“

Dass nicht das Stechen eines Tattoos oder Piercings zu der Ansteckung führt, sondern mangelnde Hygiene lässt sich ja logisch erschließen. Anstatt das man ein Symbolbild eines schmutzigen Tattoo Studios nimmt, wird eine Fotografie eines Rückentattoos verwendet. Mögliche Verknüpfung beim Betrachten des Plakats: „Bist du tätowiert hast du Hep C“. Nett, dass die Website zumindest nicht explizit Homosexuelle erwähnt. Die tut dann das Bild von alleine. Was nicht erwähnt wird ist die Übertragung durch Kontakt mit Blut.

Bildrechte: MSD Sharp & Dohme GmbH (MSD).

Die deutsche Leberstiftung schreibt was die Infektion angeht dazu:

„Die Übertragung von Hepatitis C erfolgt durch direkten Blut-Blut-Kontakt. Die meisten heute bestehenden Infektionen lassen sich auf intravenösen Drogenkonsum und Transfusion von Blutprodukten vor 1990 zurückführen. Dialyse-Patienten sind ebenfalls häufiger betroffen. Heute ist eine Infektion über Blutprodukte praktisch ausgeschlossen, da seit 2001 jedes Blutprodukt direkt auf das Hepatitis-C-Virus getestet wird. Sehr selten gehen Hepatitis-C-Virusinfektionen auf Sexualverkehr mit Hepatitis-C-positiven Geschlechtspartnern zurück. Außerdem stellen Tätowierungen, Piercings, Akupunktur und medizinische Eingriffe unter nicht hygienischen Bedingungen Risikofaktoren dar. Übertragungen einer Infektion von einer infizierten Mutter auf das Kind vor oder während der Geburt kommen in bis zu 7 Prozent der Fälle vor. Leider lässt sich die Infektionsursache in vielen Fällen nicht sicher eruieren.“

Nach Angaben der deutschen Leberstiftung sind bestimmte Sexualpraktiken selten Ausgungspunkt von Übertragungen. Nebenbei sind nach einem Artikel im Epidemiologisches Bulletin mit dem Namen „Zur Situation bei wichtigen Infektionskrankheiten in Deutschland Virushepatitis B, C und D im Jahr 2010“ homosexuelle Männer zu 3% und heterosexuelle Männer zu 2% betroffen. Männer sind in der Studie im Allgemeinem überrepräsentiert was folgendermaßen begründet wird:

„Die Tatsache, dass bei zwei bedeutsamen Übertragungswegen, nämlich i. v. Drogengebrauch und MSM, Männer deutlich überrepräsentiert bzw. nur Männer vertreten sind, trägt zu der höheren Inzidenz erstdiagnostizierter Hepatitis C bei Männern im Vergleich zu Frauen bei. Grundsätzlich muss die Interpretation angegebener Expositionen vorsichtig erfolgen, zumal einzelne Expositionen Ausdruck anderer Risiken sein können und somit nicht automatisch eine kausale Beziehung zwischen Exposition und Hepatitis-C-Infektion angenommen werden kann.“

Bildrechte: MSD Sharp & Dohme GmbH (MSD).

Nur weil Mensch also biologisch männlich und homosexuell ist, wird davon abgeraten sofort einen kausalen Zusammenhang dort zu erkennen.

Wo sind die Plakate mit der Akupunktur, was auch als Infektionsquelle in Betracht käme? Die Seite hepatitscentral.com z.B., schreibt das mögliche Infektionsquellen Nagelknipser sein können, oder Nasensprays, sofern man sich diese teilt.
Motive wie dieses sieht man nicht:

Medizinisches Personal, dass sich nicht die Hände desinfiziert.

Eine Person mit Spritzbesteck.

Ein schmutziges Tattooostudio.

Wie jemand DIY gepierced wird.

Das Teilen von Ziehröhrchen.

Diese Kampagne hat zwar das richtige Ziel, nämlich Hepatitis Ansteckungen zu vermeiden, bedient sich aber einer unmöglichen Bildsprache und sorgt so für die Segregation bestimmter sozialer Gruppen, einfach weil diese anders sind. Sinnvoller wäre es wirklich aufzuklären und Geld in Präventionsprogramme zu investieren, anstatt in homophobe, stigmatisierende Plakate. Wäre eine bessere Idee als durch pure Aufmerksamkeitsgier Menschen als vermeintlich krank abzustempeln und sie damit aus der Gesellschaft auszuschließen.

Bildrechte liegen bei MSD Sharp & Dohme GmbH (MSD).

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