Kaffeeaugen

-Aus dem Tagebuch eines schlaftrunkenen Faulenzers-

Bildrechte Philipp Hofmann

Er erwachte mit wippenden Augläden. Der schwankende Auf und Niedergang der wellengleichen Bewegungen des Lids, welche durch seine spinnendünnen, elastischen, angewachsenen Wimpern begleitet wurde, entfachte seine Müdigkeit, trotz der Uhrzeit aufs Neue. Jene schwefelgelben geschwängerten Lichtstrahlen zwangen sich durch die aufgeweichten nasswarmen Augenschlitze und stemmten sie auf mit butterzarten Krallen Stück um Stück auf. Die tauweiche Schläfrigkeit konnte diesem vehement drückender Helligkeit nichts außer aufrichtige Resignation entgegensetzen. Stück um Stück, Millimeter um Millimeter öffnete sich das Tor zum anbrechenden Tag. Entgegen seinem doch sehr großen Zuneigung zur Auslebung seines Schlafs war Golo gezwungen, sich aus dem nebelartigen Trancezustand zu erheben. Die grauen, weißmelierten Trancenebelschleier zerrissen ohne viel Aufhebens in gestaltlose Formen und Figuren, welche sich ebenfalls in ein mehr oder weniger klares Bild seines Blickfelds auflöste. Golo´s Kopf klärte sich. Nun realisierte klar die direkten Lichtstrahlen auf seiner Netzhaut. Der Lichtstrahl spiegelt und reflektierte sich im Gespinst seiner Iris. Aufmüpfig wirbelte er dort hin und her. Ein hellblaues Funkel durchjagte das Auge und wäre es beobachtet worden, hätte es den Zuschauer in tiefes, zutiefst dumpfes Erstaunen versetzt. Diesem Anblick war es aber nur für einen Bruchteil Sekunde vergönnt zu erstrahlen, denn hastig zog sich die Augenmauer ähnlich einem roten rasend fallenden Bühnenvorhang den Augapfel zu.

Ein tiefes tiergleiches Röhren drang aus der bewegunslosen Fleischmasse auf dem Bett. Ein einsamer behaarter Fuß ragte aus dem chaosartigen Stoffhaufen heraus. Er zitterte. Keinen Augenblick darauf sah man in hohen Bogen die grüngepunktete Bettdecke über den Körper schweben, um darauf sich nun endlich auf kompletten Leib abzusenken.Einen krabbenähnliche Gestalt kam unter dem Stoffhaufen auf der Kopfseite hervorgekrochen und zischte zielstrebig auf das blattgedrückte Kopfkissen zu. Mit einem graziösen Hechtsprung landet es auf einem Zipfel des, durch jahrelange Nutzung ausgeblichenen senfgelben Kissenbezug, packte zu, vergewisserte sich seines Griffs und zog es blitzschnell in die Dunkelheit.

Keine fünf Meter entfernt auf der anderen Seite des Zimmers auf einer haselnussbraune Kommode zwischen alten vergilbten Milchtüten und unterschiedlich großen Nägeln unter einer schäbigen Kopie des französischen Königs Ludwig dem XV, fing ein winziger Metallhammer hektisch zwischen zwei bronzematten Klanghalbkugeln hin und her zu wirbeln. Der schwarze, verschnörkelte Stundenzeiger war durch seinen Umschlag auf die kaminrote, teilweise abgeblätterte Zahl Neun der Auslöser dieses morgendlichen Klangkonzerts zu erkennen. Das schrille, dumpfe knochenklindernde Geräusch des antiken Weckers nahm jegliches stoffliche Hindernis ohne die geringsten Mühen und schlängelte sich durch den bizarr behaarten Gehörgang bis zum zarten Trommelfeld. Angestoßen durch diese seichte Vibration setzte ein bio-mechanischer Prozess im Gang der die Vibration in elektrische Signale umwandelte und sich dann pfeilartig in das Synapsengespinst des altersschwachen, gebeutelten Gehirn bohrte. Der allerletzte Fetzen Schlaf wurde regelrecht durch diese Tonexplosion in direktem Wege aus dem Kopf gesprengt. Schlagartig wurde eine Lawine aus Stoff, Kleidungsstücken und Socken gegen die Kommode eröffnet, welche erst mit dem ersterbenden Schlagen des Weckers und erfreulichen Glucksen des siegriechen Schlaftrunkene beenden werden konnte.


 

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