In Deutschland wird gerne die ökologische Landwirtschaft als das naturbelassenes Heilsversprechen gegen die selbst geschaffene Umweltmisere gesehen. Besonders hier sollten solche kruden Thesen wie Rudolf Steiners, wo immer auch Rückbesinnung zum „heimischen“ Boden und dessen Kreisläufe mitschwingt, anrüchig erscheinen. Zum Glück ist der Westen eine mehr oder weniger pluralistische Gesellschaft, welche andere landwirtschaftliche Wege ermöglicht, als die Rückführung von Menschen auf ihre Scholle. Es geht um die sogenannte Präzisionslandwirtschaft.
Die ökologischen Landwirtschaft steht zwar nicht im direkten Gegensatz zur Präzisionslandwirtschaft, ist jedoch , insbesonders durch eine oft begleitende Reduzierung von Technik in Betrieben mit ökologischer Bewirtschaftung, im krassen Gegenteil dazu angesiedelt. Ökologisches Arbeiten ist ein Teil der modernen Landwirtschaft, sollte jedoch nicht ihr Hauptattribut sein, da die Landwirtschaft simpel gesagt erstmals für die Ernährung der aktuellen Menschheit da ist und nicht für die Nachhaltigkeit der betroffenen Ökosysteme.
Würde man den Gedanke einer ökologischen Landwirtschaft, also einer Landwirtschaft, die sich in erster Linie auf ihre Nachhaltigkeit konzentriert, überspitzt zu Ende denken, d.h komplett nachhaltig zu wirtschaften, müsste sich Mensch umbringen, da jegliches Handeln des Menschen innerhalb Natur nicht nachhaltig seien kann. Selbst die an dieser Stelle gerne beschworen Nachhaltigkeit der Ur-Völker war nur durch ihre geringe Population möglich. Also nur durch kollektiven Selbstmord der Menschheit könnten wir den Traum einer ökologischen Landwirtschaft erfüllen. Die unwahrscheinlich vielen Transformationsprozesse, welche eine modernen Gesellschaft ermöglichen und benötigen , lassen einen eng definierten Begriff von Nachhaltigkeit, wie er hier benutzt wurde, nicht zu. Es können in einem solchen Austausch nicht überall gegeben werden, wo genommen wird. Der Begriff der Nachhaltigkeit von dem hier gesprochen wird und dem die meisten „Ökos“ wohl zustimmen würden, bedeutet die Aufrechterhaltung jedes einzelne Biosystems, während ein weiter gefasster Begriff von Nachhaltigkeit ein Aufrechterhaltung des irdischen Ökosystems wäre. Der zweiten Möglichkeit wäre in seiner Umsetzung mithilfe der Technik zuzustimmen. Kurz gesagt, ich würde die Polkappen opfern, um eine Weltbevölkerung zu ernähren.
Der ökologische Ansatz hingt zumeist relativ schnell bei Effizienz ihrer Nahrungserzeugung hinterher. Sonderformen wie die sogenannte solidarische Landwirtschaft untergraben zudem die lange erkämpfte Arbeitsteilung, indem sich die Individuen freiwillig in ihrer Freizeit auch noch der Nahrungsproduktion widmen. Durch den verringerten Einsatz von verpönter Technik wird dies weiter verstärkt. Eine solche Landwirtschaft hat mehr von einem vorindustrielle Freizeitpark für die gelangweilte Mittelschichtler als eine Alternative für Nahrungsproduktion der Weltbevölkerung. Dieses Erhöhen der handwerklichen Arbeit, dem „Bundeln im Dreck“ und der gemeinschaftlichen Zusammenhalt dieser Landwirtschaftsgruppe ist eher als Rückschlag der verletzen Subjekte auf die „vermeidlich verlorengegangen“ Naturbezug zu werten. Früher war zwar nicht alles schlecht, aber alles scheiße, besonders im Bezug auf die Effizienz der Landwirtschaft.
Werfen wir mal ein Blick über unsere Grenzen und blicken auf das beschauliche Ländchen Niederlande an. Die doch sehr geringe Fläche dieses Staates zwingt die Landwirte einer etwas anderen Herangehensweise an die Nahrungsmittelproduktion als unsere Biodeutschen, Stichwort Präzisionslandwirtschaft. Bei ihr geht es um eine ortsdifferenzierte und zielgerichtete Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Nutzflächen. Im weiteren Sinne fallen sowohl als“vertical farming“ und Gewächshäuser darunter. Das gewaltige Know-How für diese Art der Betriebsweise erfordert mehr gut ausgebildete Agrartechnologen, als Landwirte im alten Sinne. Im sogenannten „Food Valley“ in Holland, dem Hotspot für fortschrittliche Anbautechniken weltweit, wird dieses Know-how weiterentwickelt und weitergegeben. Vollautomatisierte Kuhställe, riesige Gewächshäuser, Anbau ohne Boden und Überwachung der Flächen durch Drohnen sind einige Prozesse zur Verbesserung der Produktion, die dieser Landstrich hervorgebracht hat . Diese Konzepte stehten natürlich mit der romantisierten Vorstellung eines gesamtheitlich-wirtschaften Hofes mitsamt Bauer, Huhn und Rindvieh entgegen. Doch können sich diese so hergestellten Lebensmittel, aufgrund des hohen Kostenfaktors, eben nur ein kleinerer Teil der Bevölkerung leisten. Holland ist durch die Vermengung von moderner Technik in die Landwirtschaft heute der zweitgrößte Agrarexporteur der Welt. 60% alle Blumenzwiebeln weltweit stammen daher. Durch Gewächshäuser wird z.B der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln stark reduziert bis überflüssig. Der Wasserverbrauch vieler Bauern ist seit Einsatz der Präzisionslandwirtschaft um bis zu 90 Prozent gesunken. Nebenher wurde beim Anbau von Kartoffeln die Ertragsmenge pro Hektar fast verdoppelt. Holland muss hier als Kronzeuge herhalten, um aufzuzeigen, dass industrielle Landwirtschaft durch den Einsatz von Technologie ökologisch seien kann. Diffuse Ängste vor Gentechnik und die irrationale Abkehr von Technologie sind besonders, weil sie sich gerne mit der ökologischen Landwirtschaft vermengen, ein großes Hindernis für eine Weiterentwicklung in Deutschland.
Schlussendlich könnte eine wachsende Weltbevölkerung durch eine moderne Landwirtschaft mit einer stark reduzierten Umweltbelastung effizient ernährt werden. Der Verteilungsproblematik von Lebensmitteln ist hiermit natürlich noch lange nicht gelöst, aber das ist ein Fass welches hier nicht geöffnet werden soll.
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