Must Art´s V

Wilhelm-Hack-Museum Nachtschwärmer

Wilhelm Hack Museum. Keramikwand von Joan Miro

In der Reihe Must Art´s berichte ich über Kunstausstellungen von Mannheim bis nach Baden- Baden. Ich möchte meine Eindrücke teilen, Aufmerksamkeit für Kunst generieren und damit auf die vielfältige Kulturlandschaft in der Pfalz aufmerksam machen.

Tristes Winterlicht bricht durch die grauen Wolken als ein hoher, grellbunter Block, das Wilhelm Hack Museum in Ludwigshafen sich aus der Stadtfassade schält. Ein renommiertes Museum, welches es schafft, mit Ausstellungen zu Künstler und Künstlergruppen der klassischen Modernen, regionalbezogenen Spotlights, aber auch mit Ausflügen in die Gegenwartskunst sich immer wieder sich neu zu präsentieren. In diesem hohen Gebäude kulminieren sich das Leiden, Leben und Lieben hunderter Künstler in Form ihrer Werke, welche in verschiedensten Ausstellungen wirkungsvoll zusammengestellt werden.

Beim Lesen der aktuellen Ausstellungtitels Nachtschwärmer steigen dem Leser Bilder von verruchten dunkeln Gestalten, hemmungslose Ausschweifungen und der Geruch von warmem Zigarettengeruch in Kopf und Nase. Das Jahrzehnt, das hier umkreist, eingeschlossen und verstanden werden will, ist die Zeit der „goldenen“ 20ziger Jahre, die Zwischenkriegsjahre. Gezeigt werden Grafiken, Fotos und Gemälden von verschiedensten Künstler dieser Epoche, die sich mit dem wilden Stadtleben und dessen Schattenseiten beschäftigen. Die Spannbreite der Künstler reicht von Edvard Munch über Henri de Toulouse-Lautrec bis zu Max Pechstein.

Der Aufstieg zum Ausstellungsort durch verzweigte, im Raum freistehende Treppen ist eine kleine Herausforderung. Die offene Raumstruktur im Inneren des Wilhelm-Hack-Museums leitet einen nicht gedankenlos durch das Gebäude, sondern verlangt eine bewusste Wegentscheidung ab. Hat man den Ausstellungsort, zwei kleinere quadratische Räume verbunden über einen langgezogenen Gang, welcher durch seine stellenweise Verglasung den Besucher über dem Grund schweben lässt, erreicht, strahlen einem dunkle Töne entgegen. Die Farbe Schwarz dominiert. Diese starre Farbe charakterisiert und symbolisiert das rege Nachtleben der Großstädte Paris und Berlins in den Augen der Künstler. Die gebrochene Generation des ersten Weltkriegs sucht im lauten Trubel und Amüsement der Stadt Ablenkung von ihren inneren Dämonen. Aber diese Ablenkung ist nur oberflächlich. Es sind Masken, die sich die Leute in der Nacht überstreifen. Die Farbe Schwarz umreißt die Zwiespältigkeit dieser Generation ausgezeichnet. Die Darstellung von glückliche tanzende Paare, Harlekins oder Artisten, welche hier wohl symbolisch für Ausgelassenheit und Unbeschwertheit stehen, bekommt durch die monochrome Farbwahl eine bedrückende Schwere. Auch der stilvollen Dame, deren seitliches Profil man bewundern darf, sieht man in Otto Dix´s Dame mit Reiherfeder ihre Maske und die da hinter verborgene Traurigkeit an.

Otto Dix Dame mit Reiherfeder 1923 Lithographie (Kreide) 41 x 31 cm Wilhelm-Hack-Museum © VG Bild- Kunst, Bonn 2018
Otto Dix Dame mit Reiherfeder 1923 Lithographie (Kreide) 41 x 31 cm Wilhelm-Hack-Museum © VG Bild- Kunst, Bonn 2018

Neben den Bildmotiven der Nacht und ihrer Wesen gibt es die Serie Im Schatten von George Grosz mit ihrer Darstellung der täglichen Alltagswelt auf den Straßen Berlins zeigt. Durch seinen präzisen Zeichenstil schafft er eine gelungene Darstellung der Verhältnisse in der Weimarer Republik. Eine sehr ausdrucksstarke Alltagsszene ist im Bild Grenadiertrasse Berlin von Edvard Munch dargestellt. Harten Gesichter, die fast schon gequält wirken und durch ein verschwommenes Schwarz eingefangen sind, bilden den Mittelpunkt des Bildes. Die drückende Beengtheit der Stadt wird durch eine Vielzahl an Passanten und die beiden eng zulaufenden Häuserfassaden eindrücklich im Hintergrund vermittelt. Das Alltagselend der Menschen wird hier nicht direkt dargestellt. Das Gesicht wirkt als Spiegel der Armut und des Elends.

Verlässt man die Ausstellung, bröckelt das Gold an der Plakette der zwanziger Jahre langsam ab. Eine weitere Betrachtungsperspektive auf diese Epoche eröffnet sich uns. Der tiefliegende Schmerz und die unbeschreibliche Melancholie hinter den Ausschweifungen brechen hervor und werden für uns, fast 100 Jahre später ersichtlich. Es ist wie ein Vergrößerungsglas, welches uns die Künstler leihen, um das Treiben und Leben dieser Generation zu schauen.

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