Ihre radikalen Versprechen sind ganz nett, aber Substanzlos

Die Utopie war früher bebildert, heute sind ihre Forderungen beschildert

Die Radikale Linke und ihr hang zur Kleingärtnerei

Marginalisierung sollte ein Vorgang sein, bei dem jedem Menschen der sich als progressiv oder gar als Links verortet die Ohren aufgehen. Ein Begriff der eigentlich eine Reaktion provozieren muss, Widerstand gegen die Ausgrenzung, Widerstand gegen die Diskriminierung, Widerstand gegen das System, dass diesen Vorgang begünstigt. Anspruch wurde abgelöst durch Identität, politischer Aktivismus und Aktionismus ersetzt durch Plattitüden in verrauchten, dunklen Gemäuern und die „hitzigen“ Debatten der Systemkritik, werden untermalt von K.I.Z. und Sookee, welche alle mal mehr oder weniger erst ironisch gehört werden und als in einer Playlist vereinabr gesehen werden. Krieg den deutschen Zuständen sagte schon Marx, aber der Schrebergarten der linksradikalität mag es dann doch lieber, wenn alles schön sortiert ist und der Che Guevara Gartenzwerg odentlich zum Klassenfeind schaut.

Bei solch hehren Zielen, wie dem sich selbst versichern wie Radikal man doch ist, wird die Triebfeder eines jeden linken Kampfes vollkommen vergessen: Solidarität. Solidarität ist eine sehr mächtige Waffe gegen Marginalisierung. Sie verhindert Marginalisierung, sie unterbindet sie, ja wirkt sogar giftig auf die Marginalisierung.Wie können Menschen marginalisiert werden, wenn sie doch aufgefangen werden.

Solidarität gehört seit jeher zu dem Arsenal der Emanzipation. Wenn eine marginalisierte Gruppe nicht nur den Schulterschluss zu den anderen sucht, sondern auch untereinander solidarisch ist, so verringert sich die Angriffsfläche, der Kampf wird lauter, er wird gehört, es gewinnen alle, außer das bekämpfte System. Wenn reale Probleme, als Wichtigtuerei, psychische Belastung als Aufschneiderei und diskriminierungsformen als halb so wild abgetan werden, stirbt die Solidarität wohl als erstes. Alles für sich allein, keiner für niemanden. Der Entfremdungsprozess des kapitalistischen Systems schlägt erbarmungslos zu, da er das verbindende durch ein Klima der Marginalisierung und der Identitäten ersetzte. Es geht nicht mehr um Inhalte innerhalb eines Diskurses sondern nur noch um das zur Schau stellen der eigenen, ganz eigenen, Radikalität.

Identitäten müssen erfüllt werden, Widersprüche ausgeblendet und die Diktatur der Einheitsmeinung greift durch. Zur Marginalisierung gehört damit nicht nur die Diskreditierung von Diskriminierung und mangelnde Solidarität, sondern auch die komplette Unterbindung an allem, was die eigene Identiät des Rechtslinksdeutschen irgendwie in Frage stellt. Fronten werden gebildet, die Abgrenzung wird zelebriert, Konflikte werden herbeigesehnt und der große Knall bleibt meistens aus. Gerade selbstverwaltete Läden der 2000er scheitern so an ihrem eigenen Selbstverständnis. Es wird ein Lippenbekenntnis abgegeben, auf dass dann nur noch verwiesen wird, wenn es sich gerade in die eigene Identität einbinden lässt. Die Schutzschilder der Identität werden schön poliert, es wird sich ja engagiert. Gegen rechts, gegen Diskriminierung und Gentrifizierung, dass man allzu oft selbst Teil des Problems ist, dabei allerdings oft gekonnt ausgeblendet. Schlimm ist immer nur die Ausgrenzung der anderen, nie die eigenen. Reflexion? Wer braucht diese schon, hat man doch eine nicht weiter fundierte Ideologie, aus drei Vorträgen und einem Bento-Artikel zusammen, die dann als Speerspitze des neuen linken Habitus des digitalen Zeitalters vor sich hergetragen wird. Anspruch und eigene Verwirklichung wird dann vollends begraben, wenn eben jenes marginalisierende Verhalten damit verteidigt, ja gar geadelt wird, möglichst viele „progressive“ Begriffe zu verwenden. Da werden offensichtliche Hierarchien als Hierachiefrei erklärt, die Autorität in antiautoritären-Gruppen einfach totgeschwiegen, Partizipation für die Ruhe eines effizienten Plenums abgeschafft und Meinungen die gerade konträr zur sauberen TO und dem heimeligen – doch so ordentlichen – Gefühl der Einigkeit entgegen wirken könnten, gar nicht erst berücksichtig. Wieso auch, man ist ja antiautoritär, oder doch autoritär, ach egal Hauptsache kollektivistisch selbstverwaltet! Ein Konglomerat absurd verwendeter Begrifflichkeiten offenbart dann allzu oft, das fehlende Wissen. Linke Begriffe als Dogwhistle um der Welt da draußen zu zeigen, wie links, progressiv, harmonisch und fortschrittlich man ist. Menschen werden nicht durch sich selbst marginalisiert, sie werden es nur von anderen. „linke“ die nicht mal den Grundmechanismus der so ziemlich jeder Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit voran geht begriffen haben, sich dann aber als das radikalste auf der Erde bezeichnen, sollten Dringend ihr Selbstverständnis überdenken. Es ist nicht schlimm, eine Kartoffel zu sein, es ist schlimm alle anderen Kartoffeln anzulügen, man wäre eine Karotte. Jedes Versprechen an Radikalität verliert so seine Substanz. Links sein, gar Linksradikal, passiert nicht sui generis, es passiert durch Handlungen, die Übernahme revolutionärer, radikaler Praxis, gelebter Solidarität, der Freude an der Debatte und dem Zusammenstehen untereinander gegen die vernichtende Maschinerie des neoliberalen Systems. Das alles scheitert krachend an lustigen Regeln an die sich keiner Hält, dem Verlust der eigenen Reflexionsfähigkeit und dem Gebetsmühlenartigen wiederkäuen linker Talkingpoints in Schrift und Form. Es ist wichtig an Utopien zu glauben, eine Farce allerdings, wenn sie so umgesetzt werden sollen.

Im Schrebergarten der eigenen Ideologie, wird das Unkraut gejätet und die Anspruchslosigkeit gedüngt.

Dieser ganzen Widersprüche zum trotz versammelt sich der ganze Haufen der Speerspitze der Emanzipation in eben bereits erwähnten Läden. Die dann selbstverwaltet und gestaltet an die Wand gefahren werden und der Freiraum nur für die gilt, die ideologisch gefälligst auf Linie gehen. Da sich niemand auf eine Ideologie geeinigt hat, weil es ja die Heterogenität gewahrt werden soll und mehr als die Hälfte der langen Worte die mit -ismus enden sowieso nicht so wirklich verstehen, macht im Endeffekt eh wieder jeder was er will. Das hört sich jetzt super nach „Open Space“ und „Freiheit“ an, hat allerdings einen Haken, wenn nicht gar ein Geschmäckle. Wenn eh alle machen was sie wollen, machen sie oft Dinge die andere so nicht wollen. Dann wird auf Plenen verwiesen, auf denen die Hälfte nicht besprochen wird und die andere durch komische Abstimmungen und das krampfhafte runterbeten eines „Konsens“ geregelt. Partizipation sieht zwar anders aus, aber wer halt nicht aufs Plenum kommt, kommt halt nicht aufs Plenum. Persönliche Umstände, Verwertungsdruck oder andere Dinge werden dann von den revolutionären radikalen Linken gerne mal als falsche Priorisierung verstanden, hat die Person halt selbst schuld. Was sich anhört wie der kleinbürgerliche Exzess eines Schrebergartens um Bottrop ist auch meistens genau das. Dabei entsteht noch das weitere Problem dieser einen Ideologie. Sie wird als absolute Wahrheit verkauft und oft nicht begründet. Diese „Ideologie“ bildet sich sui generis im linksradikalen Laden heraus, durch die reine Anwesenheit in eben diesem Laden. Da wird sich auch schon mal über eventuell auftauchende Handwerker:innen aufgeregt, die den Boden oder anderes gewurschtel verunreinigen könnten. Die machenzwar auch nur ihren Job und werden beschissen bezahlt, aber das interessiert die Salonkommunist:innen sowieso nicht. Das hätte was mit sozialen Kämpfen zu tun und die werden gerade in einem solchen Kosmos noch innerlinks geführt.

In gewaltigen technokratischen Anstrengungen der Entschleunigung wird der letzte funken Radikalität „radikalisiert“. Der eigene Schrebergarten immer ordentlicher gemacht und alles was von innen oder außen die hochheilige Ordnung der eigenen Filterblase stört direkt in Achtung gestellt, marginalisiert oder diskriminiert. Es gibt auf einmal richtige und falsche Linke, Solidarität für Menschen und Verachtung die falschen Leute. Man gibt sich zwar offen und für alle bereit, aber die Entmenschlichung, das Absprechen von menschlich emotionalen Potentialen hat dann doch stattgefunden, alles für den Dackel, alles für das „selbstverwaltete, hierachiefreie, linke, harmonie(,)kollektiv mit antikapitalistischem, systemkritischem Ansatz zu einem progressiven Transformationsprozess“. Es braucht nicht erwähnt zu werden, dass die Verwaltung aufgrund dieser Art der Arbeitsteilung doch eher weniger sinnvoll läuft. Die linke Bewegung kriegt mit ihrem Abgrenzungsfetisch keinen Fuß mehr in die Tür und der Kleingartenverein der Revolution wirkt mehr wie ein Patchworkflickenteppich aus verschiedenen Grün- und Rottönen, anstelle einer emanzipatorischen Bewegung. Der Ansruch einen Ort zu schaffen in den ein Teil der befreiten Gesellschaft Durchscheinen soll, ist dann doch eher dem Regress des eigenen Egoismus und des Hedonismus gewichen. Nicht mehr Wandel ist die oberste Maxime, sondern Ruferhalt.

Linke neigen zur Abspaltung, zur Differenzierung, Offenheit mutiert so allzugerne in Sektengehabe.

Wer marginalisiert, sollte nicht gegen sie kämpfen, sondern erstmal Kehrwoch‘ in der eigenen Parzelle seines ideologischen Kleingartens machen, oder in guter alter no border Manier, diese direkt abschaffen. Pluralismus entsteht durch die Debatte und die Akzeptanz, nicht durch Harmoniedekrete, Durchhalteparolen und die eigene Onanie mit linken Worten.

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