Eindrücke aus dem Paradies: Indonesien.

Bildrechte: Philipp Steiner Karimunjawa. Angeln, Grillen, Campen.

Mit offenen Fenstern durch die Sonne segeln, ein Punkt im Meer.

Keine Gerade, kein Kreis. Kein Plan.

Nichts ist hier gewesen, da ist keine Vergangenheit.

Irgendwas wird sein.

Es braut sich was zusammen hinterm Horizont. Segel sind gesetzt, und blind puste ich drauf los. Strömung hier und da, Strömung nimmt mich auf und gibt mich frei, frei, frei….

 

Ab nach Indonesien! Ein einzigartiges, kontrastreiches Land. Teils dicht besiedelt und teils gar nicht, gleichermaßen bestückt mit Wundern. Mehrere hundert Kulturen wohnen auf über siebzehn tausend Inseln verteilt und sprechen über hundert Sprachen, beten unzählige Götter an und pflegen viele hundert Traditionen und Lebensstile. Indonesien ist ein politisches, sowie geologisches Pulverfass, das einfach nicht explodieren will. Das eine oder andere vulkanische Reservoir unter der Atoll-Eilandschaft ist heute noch aktiv und Ausbrüche sind teils lang schon überfällig. Mit etwas Geld und Mut lässt sich so mancher Vulkan auch besteigen. Da sind besonders der riesige Mt. Bromo in Zentraljva und der Mt. Ijen, der Berg des Blauen Feuers im Osten Javas, zu nennen. Indonesien beherbergt Naturspektakel und Plastikberge, megastadtgroße Müllhalden, ewige Sandstrände und urigen Dschungel nebst ewig weiten Reisfeldern. Glasstählerne Wolkenkratzer stehen inmitten von traditionellen Kampungs.

Immer geht es noch etwas weiter in das Land hinein; niemals hört es auf, einen zu erstaunen. Bauern bestellen ihre Äcker und Felder wie schon vor 400 Jahren, und posten ihren Feierabend bei Instagram. Businessmen parken ihre Luxuskarossen unter den Brücken der Großstädte und essen bei einem der vielen mobilen Essensstände zusammen mit Taxifahrern zu Mittag. Pack unbedingt deine Kamera ein, denn kein Gedächtnis vermag es, die endlosen traumhaften Landschaften, Szenerien und Begegnungen zu behalten. Die Erfahrungen hier sind echt, unglaublich echt. Du brauchst also nicht alles zu posten, um glücklich und ruhmreich nach Hause zurück zu kehren. Außerdem hilft  dir dein Studierendenausweis zu vielen Vergünstigungen im kulturellen Bereich, und es empfiehlt sich eine Bauchtasche gegen Taschendiebstahl. Eine Kreditkarte erleichtert das Geldabheben und Buchen von Fahrten erheblich. Auch einige Apps erleichtern den Zugang zu der unübersichtlichen Infrastruktur des Landes: ‚Maps.me‘ bietet globale offline-Karten incl. kostenfreier GPS – Navigation, kennt dazu gute Points of Interests und bietet Links zu booking.com – unschlagbar und unverzichtbar nicht nur für Backpacker. ‚Couchsurfing‘ und ‚Airbnb‘ machen das Übernachten überall auf der Welt interessant und günstig. ‚Grab‘ gibt einem innerhalb jeder Stadt Indonesiens die Möglichkeit, zu unschlagbaren Festpreisen schnell von A nach B zu kommen (Vergleichbar sind ‚Uber‘ (USA) und GoJek (Südostasien)). Und natürlich: das Handtuch nicht vergessen!

 

Jakarta.

Wir landen in Jakarta im Nordwesten Javas, der populärsten und am dichtesten bevölkerten der indonesischen Inseln.

Jakarta ist ganz schön schmutzig, und dafür aber nicht einmal so richtig schön. Auf den ersten Blick jedenfalls. Und auch auf den zweiten. Man muss die schönen Ecken schon suchen. Der Transport vom Flughafen Soekarno-Hatta incl. Autobahnmaut in‘s Stadtzentrum kostet ca. 15€ (+/- 200k Rph), der öffentliche Bus tagsüber ist deutlich günstiger. Jakarta ist der Regierungssitz und das Businessherz Indonesiens, und ein Abstecher in diese gigantische 30Mio. Einwohner Metropole lohnt sich allemal. Die Touri-Kultur, die dem Besucher hier geboten wird, ist recht groß, wenn man sie wahrnehmen will. Nationaldenkmal und Nationalmuseum sind um den Merdeka-Platz im Stadtzentrum zu finden, daneben stehen die Immanuel-Kirche und wunderschöne Istiqlal-Moschee. In der Altstadt „Kota“, deren Architektur mit ihren vielen Kanälen von der holländischen Kolonialzeit zeugt, finden sich eine Menge Touristen zusammen. Des Weiteren locken ein Bremer Beer-Garten, ein history-museum und weitere schöne Attraktionen, die den Rahmen dieses Berichtes  sprengen. Nicht zu vergessen sind die gigantischen Konsumdenkmäler in Form gigantischer Shopping Malls, die dem schnuckelig-schmutzigen Stadtbild einen modernen Touch verleihen. Mehrere -zighundert Geschäfte bieten dort gut- und besserbetuchten Kunden prinzipiell alles, was mit dem strengen Gesetz vereinbar ist. Außer Bier. Hab ewig gesucht. Die Higher Class Jakartas trifft sich in den vollklimatisierten Hallen zum Abhängen und zum Fröhnen des Konsumlasters, das schillernde Souvenier des westlichen Kapitalismus, und um dem chaotischen Treiben der Hauptstadt zu entgehen. Angeboten wird alles zu normal mallmäßig hohen Preisen und großen Produktionsauflagen. Shopping halt. Zurück auf der Straße stinkt und sifft es wie eh und je, aber erfrischt erträgt man das tropische Großstadtdschungelklima wieder leichter. Laufen empfiehlt sich dennoch nur mit Atemschutzmaske, die gibt’s aber zum Glück in jedem Supermarkt für wenig Geld. Die Luft steht, und sie will und sollte nicht geatmet werden. Geht man aus, geht das ohne Reiseführer am Besten mit den kontaktfreudigen Ansässigen – zwecks Spaß, sowie Orientierung. Wer hier lebt, kennt gute Spots, Verkehrsrhythmen und kurze Wege besser, als das Internet. In Indonesien dreht sich für den Backpacker (genauer genommen: für mich) alles um das Essen. Selbst zu kochen lohnt sich hier nicht, denn das legendäre Streetfood des Landes kostet oft nicht einmal einen Euro pro Portion. Nach ein paar Tagen in Jakarta und ein paar durchzechten Nächten in der chilligen Rooftop Bar meines grandiosen Hostel fühle ich mich akklimatisiert und vom Jetlack erholt. Es zieht mich aus der Stadt heraus auf‘s Land.

Von Jakarta geht es nach Süden, Westen und Osten. Im Nordosten liegt entfernt die Insel Kalimantan bzw. Borneo. Viele Teile Indonesiens, doch insbesondere Borneo gelten mit riesigen sauerstoffproduzierenden und kohlenstoffdioxidbindenden Dschungelfläche als Teil der ‚Lunge der Erde‘. Der Westen Javas birgt weniger Tourismus und dafür vielviel Grün, Tradition und Religion. Hinter der Küste liegt das riesige Sumatra. Im Süden Jakartas liegt die Universitätsstadt Bogor. Im Osten Jakartas erstreckt sich die Insel viele hundert Kilometer weit, und dahinter liegen Bali, Lombog, Sumbawa. Ich kaufe mir ein Ticket in Richtung Südosten.

Jakarta Empfehlungen: SixDegrees Hostel, Plaza Indonesia Mall, Kota-Altstadt, Glodok, Merdeka-Platz.

Next Stop:

Yogyakarta.

Bildrechte: Philipp Steiner
Man weiß einen guten Kaffee zu schätzen. Der Zubereitung sind nur die Grenzen der Physik gesetzt.

Wunderschön ist die Zugstrecke von Jakarta nach Yogyakarta (‚Jogja‘). Auf der achtstündigen Strecke lassen sich hier und dort Tempelanlagen, Nationalparks und Städte besichtigen (zB. In der Universitätsstadt Bogor, in Sukabumi, oder Bandung), wenn man Zeit, Geld und Muse zum Umsteigen bzw. Übernachten hat. Ich hatte leider kein Geld und bin fix durchgefahren. In Jogja angekommen erwartet uns ein Duft, der einen umhaut. An die dröhnende Mischung aus Abgasen, Abfall, Abwasser und einer ganz bestimmten Frucht hat man sich aber zum Glück schnell gewöhnt. Jogja ist das kulturelle Herz Javas, und es steht unter besonders eigenständiger Verwaltung. Als eine Art kulturelles und politisches Backup soll es fungieren, so will es die Regierung, und die Menschen freuen sich darüber: „There is no place in Indonesia like Jogja. You want to see and make graffiti, come here. You want traditional and modern art, come here. You want to buy craft, cloth, Batik, silk, wood, it’s good! You want see temple and waterfall, 60 beaches and still have cheap accommodation, then jogja is the place you’re looking for.“, fasste es einer meiner Hosts (Rudy) bei einem Bier treffend zusammen (eine tolle Eigenschaft Indonesiens ist, dass „There is no place like…“ auf ausnahmslos jeden Ort zutrifft. Kein Scheiß.). Als kultureller Blinddarm schmerzt die Stadt auch pflichtbewusst die Regierenden; Jogja fungierte schon oft als Zentrale politischen Widerstandes. Im Herzen Jogjas führt die lange Jalan Malioboro an unzähligen Essensständen und Kleinhändlern auf das Kraton, eine der schönen und alten Palastanlagen Indonesiens, zu. Die alten Sultane und die folgenden Okkupations- und Kolonialisierungsversuche haben dem Land eine Unzahl von Egostatu(t)en, Helden und Prachtbauten beschert. ArchitektInnen, GeschichtsliebhaberInnen und AnthropologInnen haben hier mindestens viel Spaß. Die Stadt bietet Unmengen an Kunst und Kultur. Sowohl altgebackene, wie zeitgenössische. Auf der Suche nach dem berühmten und in Jogja entstandenen Batik sollte man sich in der Stadt nur bloß nicht von den tierisch sympathischen Schleppern in kleine Gallerien verleiten lassen. Die Verkäufer erzählen einem was vom Pferd, auf jeder beliebigen Sprache, sodass man es gern glauben will. Wirklich schönes und echtes Batik lässt sich mitsamt Herstellungsprozess in der schönen kleinen Gallerie „Orio“ bewundern und ohne Druck und aufgedrücktes Getränk auch kaufen. Im Schnitt zum halben bis drittel Preis, verglichen mit einigen Galerien der Jalan Malioboro. „Ba-Tik“, so lernt man dort, bedeutet „Punkt-Strich“. Zunächst den Königsfamilien vorbehalten, finden heute v.A. Hippies und andere Schmutze (<3) ihren Ausdruck und Gefallen an der Kunstform. Schon lustig. Die Tempelanlagen Borobudur und Prambanan etwas außerhalb der Stadt bieten mit ihren teils über 1000 Jahre alten meisterlichen Steinreliefs wunderbare Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Buddhismus und seine Verwandtschaft zum Hinduismus. Eintritt 15-20€, Studis kommen gegen ausführlichen Nachweis zum halben Preis rein. Ein Führer hier ist seine 4€ p.P. wert, die geschichtlichen Hintergründe zu den Bauwerken sind spannend und faszinierend. Es gibt in Jogja unendlich viel zu entdecken, es lohnt sich also viel Zeit mitzubringen und sich zu informieren – vorzugsweise natürlich bei Backpackern, Locals und Hosts. Viele ansässige Studierende bieten hier ihre Couches und damit verbunden Einblicke in das Leben in Zentraljava an. Etwa zwei Stunden Fahrt sind es zu den über 60 Traumstränden entlang der Küste südlich von Jogja. Das Panorama bietet 240° Postkartenlandschaft mit Meer, rauen Küsten, Inseln und Magrovenwäldern. Aber „Hati-Hati!“ Vorsicht mit den Rollern auf der Fahrt! Wenn wer einen Unfall hat, dann zumeist eine übermütige TouristIn[1]. An den Stränden Zentraljavas muss man und frau sich übrigens umgucken. Ansässige Frauen gehen hier meistens mit Kleidung baden. Manchmal auch Männer, manchmal aber aus sonnenschutztechnischen Gründen. Wer Bikini trägt fühlt sich schnell wie ein Metal-Nerd auf einem Justin Bieber Konzert: besonders, wissend, und doch schnell verunsichert. Blicke inklusive. Aber wenn mensch nicht allein geht, macht auch das Spaß. Viele der jungen Leute sind da deutlich entspannter und weltgewandter, als die (Groß-)Elterngeneration. Wer zurück in der Stadt sein Feierabendbier trinken will, sucht sich eine der schönen, stylischen Bars aus. Das Bier in Indonesien kostet zwischen 2€ und 4€ pro 0,66l. Gerade in Zentraljava mag man aus Respekt vor der etwas strenger muslimischen Prägung der Bevölkerung sein Bier nicht auf der Straße trinken, sondern schön in Tüte verpackt transportieren.

Das Land, das einst Hinduistisch, dann Buddhistisch war (heute vA in Bali, östlich von Java), ist im 15. und 16. Jhdt. dank der Arbeit vieler muslimischer Missionaren zum Großteil zum Islam konvertiert. Die vorigen Religionen hinterlassen bis heute ihre Spuren im Verhalten der Menschen und im verbreiteten Glauben an Karma und Rituale, sowie Opfergaben für alte Götter.

 

Bildrechte: Philipp Steiner

Fast vergessen: Wie Rudy richtig sagte, birgt Yogya eine sehenswerte Graffitiszene. Es gibt hunderte Meter lange bunte walls, die besprüht werden dürfen und noch länger buntere walls, die eigentlich nicht besprüht werden dürften. Die Szene wächst und es macht extrem viel Spaß, ihr dabei zuzusehen. Kostenlos natürlich.

 

Yogyakarta Empfehlungen: Borobudur, Prambanan, Kraton, Jalan Malioboro, Gallerie Orio, Strände, BarOxo.

 

 

 

 

Next Stop:

Karimunjawa.

Schwerelos unter lichten Wellen, ein Fremder daheim zwischen leuchtenden Augen.

Beißender Rauch verliert ich über den beladenen Bäumen. Zwischen den süßen Früchten warten die bunten Schlangen.

Der Dschungel holt sich zurück, was das Meer uns gibt.

Manchmal ist nicht für jeden etwas da, dann teilen wir.

Danke, ihr Götter und Erleuchteten, für jeden einzelnen Tag.

 

Per Shuttlebus geht es von Jogja nach Jepara, der Hafengroßstadt nordöstlich von Jogja. Jepara bietet dem Durchreisenden Handwerk vom Feinsten. Schmuck, Architektur und vor allem prächtiges Mobiliar werden in unzähligen Schreinereien und Tischlereien feilgeboten. Einige werben mit der Verwendung von zertifiziertem Holz von ‚glücklichen‘ Bäumen, das aus Baumschulen stammt und nicht wild aus wichtigen Ökosystemen gerissen wurde. Viereinhalb Stunden dauert die Fahrt in halsbrecherischer Manier und am Ende bin ich froh, das klapperige Vehikel in einem Stück verlassen zu können. Nach acht Tagen in Java bin ich mir sicher: Die Javanesen sind die durchgeknalltesten Fahrer auf der Welt. Wenn es aber auch anfangs nicht leicht fällt, kann man ihnen doch vertrauen. Genau genommen hat man keine andere Wahl. Auf jeden Fall fahren die indonesischen ChauffeuerInnen hier deutlich sicherer, als TouristInnen. Dank der ausgeklügelten Kommunikation mit Hupen gepaart mit extremer Aufmerksamkeit, subtiler Rücksicht und wenig Wut gibt es hierzulande erstaunlich wenige Unfälle. Herr und Frau Weißbier stellten da mit ihrem vollautomatischen Benz einen deutlichen Risikofaktor dar, wenn sie sich mit dem deutschen statischen Verkehrsregelpositivismus in dem hochdynamischen Infrastrukturnetz Indonesiens fortbewegen wollten. Aber keine Sorge, liebe Reisende. Einfach superentspannt eingliedern, freundlich und berechenbar fahren und aufeinander aufpassen. Dann passiert nix.

Der Hafen von Jepara ist gut überschaubar, und der Kaffee ist viel zu süß. Wie immer. Man liebt hierzulande den Zucker. Dafür gibt‘s eine ganze Straße lang super leckeres Streetfood, gleich neben dem Ticketschalter. Um neun Uhr morgens setzen wir per Expressfähre für ca. 11 Euro zu der etwa 80km entfernten Trauminsellandschaft über, die mir so begeistert an‘s Herz gelegt wurde: „Go there. Just…do it. Go there, and try not to stay forever. But go there, Dude!“. Für die Indonesier, die ich zuvor nach den Inseln fragte, steht Karimunjawa oft weit oben auf der Liste persönlicher Urlaubsziele, und meist weit über dem touristisch erschlossenen Bali. Am Hafen der etwa 45km² großen Hauptinsel Karimunjawas angekommen begrüßt uns ein umwerfendes Wetter, Fischerboote, türkisenes Meer, Dschungel, Berge, Palmen und ein mit kleinen Inseln gespickter Horizont ringsum. Am Hostel ‚Asia Jaya‘ (etwa „glückliches/vereintes Asien“) angekommen werde

Bildrechte: Philipp Steiner
Karimunjawa. Bananenblätter sind extrem glatt und bieten sich seit Jahrtausenden als großer, sauberer Teller an.

ich freundlich und sympathisch verpeilt empfangen. Die lustigen BFF‘s Moko und Ekka stammen aus Jakarta und haben sich nach ihrem sechsten Karimunjawaurlaub innerhalb eines halben Jahres dazu entschieden, ihre Jobs als Soziologiedozent und Employee-Manager zu kündigen, um hier in Ruhe und zu fairen Preisen Betten anzubieten. „Paradise-Island“ nennen sie das Eiland, und mit dieser Ansicht sind sie nicht allein. Die Insel ist bekannt für ihre vorzügliche Paradisität. Zunächst wirkt hier alles sehr ruhig und idyllisch, ganz im Gegenteil zu den wuseligen Großstädten, und genauso wirkt hier alles auch in Nachhinein. „Pelan-Pelan“, „Langsam-langsam“, lautet die Devise. Beschleunigung wird nur wohlbedacht vorgenommen. Büros, Bars, Cafés und Geschäfte findet man oft nicht besetzt vor, denn die Locals verbringen gerne und viel Zeit damit, tief in sich gekehrt zu ruhen.  Man muss Glück haben oder eben Zeit, und beides ist einem hier geboten, wenn man möchte. Buchungen nimmt man daher am besten spontan vor, oder via Internet. Die meisten Angebote werden einem aber ohnehin persönlich gemacht, denn die junge Community gibt sich weltgewandt und aufgeschlossen, gut vernetzt und herzlich. Ob Inselhopping mit BBQ, ob Fischen, Wandern, nach Schiffswracks tauchen, Rad- und Rollerfahren, Boote mieten, Camping – für die Backpacker ist das Angebot im Nationalpark Karimunjawa reichlich, und die Preise sind niedrig. Im schönen hippiesken Hostel ‚Samsara‘ kann man für lau Kaffee und Tee trinken, reichlich gut abchillen und sich bei Laune von ‚Oki‘ ein Bambus-Tattoo stechen lassen (Preise für das Tattoo variieren je nach Größe und Komplexität). Das stylisch-moderne Hostel ‚The Happinez‘ setzt sich ordentlich für mehr Bildung (insbes. Englisch-Sprachkurse und Rechnen) auf der Insel ein, damit das Geld, das der Tourismus mit sich bringt, auch wirklich hier verteilt wird. Die Tragik der aufgekauften Inselparadiese ist im asiatischen Raum ein häufiges Phänomen. Pauschaltouristen gibt es nur wenige, abgesehen von der „Honeymoon-island“, einem Luxusresort auf einer der kleineren Inseln Karimunjawas. Die 27 Inseln sind großteils bewohnt, teils von Einsiedlern, die Besucher willkommen heißen und ihre teils bloß 500 m² großen Landflächen für einige Tage teilen. Viele Einwohner Karimunjawas verdienen ihr Geld mit der Beschaffung und dem Verkauf Früchten und Fischen, immer mehr widmen sich der wachsenden Tourismusbranche. Besonders junge Menschen zeigen sich sehr interessiert an den „Bolehs“, den „Westlern“. Am Nightmarket auf dem Alon-Alon (angelehnt an „Alun-Alun“, „der öffentliche Platz“) steht ein farbenfrohes Angebot frischer Fische, gewürzten Tofus, knusprigen Tempehs und Maiskolben zum traditionellen Grillen auf trockenen Kokosschalen zur Auswahl. So richtig günstig essen kann man im ältesten Warung Makan (etwa „Speiseststätte“) der alten Esther. Sie kocht hier schon immer. Leckeren Kaffee aus allen Teilen Indonesiens gibt‘s im Bambu Ranting Coffeeshop für 70 Eurocent/Tasse und frisches Obst, Gemüse und Nüsse im Dorfmarkt. Mit seinen schier unfassbar schönen rubinroten Sonnenuntergängen lockt der Strand Tantung Gelam an der Westküste des Landes.

Bildrechte: Philipp Steiner
Yogyakarta. Sonnenuntergang am Meer

 

Sonnenaufgänge können etwa 12 Stunden später am Lagon Lelle, einem sehr sauberen Privatstrand an der Ostküste genossen werden. Hier wird um einen Eintritt ca. 1€ für‘s Sauberhalten gebeten. Wie überall in Indonesien bzw. den Küsten der Welt ist nämlich leider auch auf Karimunjawa viel Plastik unterwegs (mit viel meine ich unvorstellbare Mengen Plastik, man glaubt es wirklich kaum).

Bildrechte: Philipp Steiner
Karimunjawa. Entropie bei der Arbeit. Wo mal ein paar Tage nicht aufgeräumt wird, da will man schnell nicht mehr hinsehen

Nestlé, Cokeline, und Co schmeißen den unerfahrenen und unvorbereiteten Markt mit dermaßen vielen Einwegplastikflaschen, und -verpackungen zu, dass bisweilen kein Bildungs- Reinigungs- oder Recyclingprogramm dagegen ankam. Touristen bringen mit ihren Luxusnachfragen und Mülleinträgen noch mehr Plastik in‘s Spiel, und räumen natürlich nichts auf. Leider. Denn die Anwohner wissen vielerorts nicht mehr wohin mit all dem Kunststoff, der sich auf dem Kompost einfach nicht zersetzen will. Und so wird vor der Haustür Müll verbrannt oder das Zeug geht eben hopp, ab in‘s Meer. Das unendliche Blau hat noch alles geschluckt, was das Land nicht haben wollte. Dem Großteil der Bevölkerung Indonesiens fehlt es an Bewusstsein für die gigantische Tragweite der globalen Plastikproblematik und der Konsequenzen für Mensch und Umwelt. Mikroplastik ist hier kaum jemandem ein Begriff, ebenso wenig wie die stark krebserregende Wirkung von PVC-Rauch. Kunststoffe werden eher mit Wohlstand und Fortschritt assoziiert, als mit Umweltverschmutzung und Gesundheitsschäden. High-Tech-Smartphones und Plastiktüten zogen in vielen Teilen des Landes fast zeitgleich mit öffentlicher Strom- und Wasserversorgung einher und gelten mitunter als Symbole der jungen Modernität. Doch anders als im Westen stammen diese Technologien nicht aus eigener Innovation, sondern von extern, und die korrespondierenden Technologien und Infrastrukturen für Recycling bzw. entsprechende Aufklärung wurden bis dato nicht nachgeliefert. Dem Land fehlt es an Handlungsansätzen. Indonesien will sich weiter modernisieren. Neben müffelnden Industriedeals u.A. mit HeidelbergZement[2] werden dem entgegen von idealeren PolitikerInnen auch Programme zu Umweltschutz und -restaurierung initiiert. Das komplexe politische System des Landes mit Parlament, Senat, und Präsident machen Entscheidungen und Interventionen allerdings nicht einfach. Undurchsichtig ist das Regieren und oft wirkt die Gesetzgebung recht willkürlich. Die Indonesier, die ich mit meinen Fragen dazu konfrontiere, driften im Gespräch schnell ab. Man spricht nicht allzu gern über Tagespolitik. Viele haben aus besagten Gründen gemäß eigener Angabe keine Muse, sich der Politik zu widmen; einige wirken resigniert und wieder andere sind extrem optimistisch. Noch leben ja hier und dort die Korallen, die Palmen tragen Kokosnüsse und die Fische tummeln sich vor der Küste. Wie lange noch? Schweigen. Aber man hält zusammen. Tatsächlich habe ich noch nirgends auf der Welt eine solche Solidarität, Güte, Hilfsbereitschaft und Kontaktfreude erfahren, wie in Indonesien.

 

„Samua manusia sama“, ist gewiss, „alle Menschen sind Eins.“.

Karimunjawa Empfehlungen: Asia Jaya Hostel, Samsara Hostel, Alon-Alon nightmarket, Bambu Ranting Coffee & Beachbar, Mangrovenwälder, … egtl alles.

 

Bildrechte: Philipp Steiner
Yogyakarta Borobudur
Bildrechte: Philipp Steiner
Yogyakarta. Kunst auf dem Dorf. Graffiti wird aus Ermangelung von Dosen oft mit Pinseln gemalt

[1]Wagemütig gegendert, zugegebenermaßen…

[2]http://www.taz.de/!5408426/ bzw. Heidelbergzementartikel.jpeg

1 Kommentar

  1. Man, Phil, unglaublich, was du erlebt und aufgeschrieben hast. Ein gsnz toller, informativer und interessanter Beitrag, der auf jeden Lust auf Indonesien macht. Danke.
    Liebe Grüße,
    Hilke und Harry

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