Ich wollte doch nur ein Bier trinken!

Bildquelle: privat

Ein Leserbeitrag von Sebastian.

Als ich 2017 nach Landau zog, hatte ich keinerlei Erwartungen gehabt. Eigentlich wollte ich in Heidelberg studieren, doch nachdem ich zum dritten Mal eine Absage bekommen hatte, versuchte ich mein Glück an der hiesigen Uni. Endstation Landau – das Auffangbecken für jene, die jeglichen Anspruch an die Stadt, in der sie wohnen, verloren haben. Ich wollte einfach mein Studium absolvieren und so schnell wie möglich wieder verschwinden.

Als ich dann hier ankam, hat sich gezeigt, dass meine Befürchtungen maßlos untertrieben gewesen waren. Ich erinnere mich noch sehr genau, wie ich freitagabends durch die Stadt lief, kein Schwein kannte, und dachte: „Gehst’e halt in irgendeine Kneipe. Wirst schon nette Leute treffen.“ Ich will nun nicht abstreiten, dass in den wenigen Kneipen, die ich entdeckte, auch nette Leute saßen. Aber außer einer Partie Darts war für mich auf zwischenmenschlicher Ebene nicht viel zu holen. Ich schrieb alle Leute an, von denen ich wusste, dass sie irgendwann in ihrem Leben einmal in Landau gewesen waren und von allen kam die gleiche Antwort: „Geh ins Fatal! Bisschen abgeranzt, aber nette Leute, ein Kicker und günstiges Bier.“

Kaum dort angekommen, wurde mir zu aller erst einmal erklärt, dass „behindert“ kein adäquates Wort ist, um die kulturelle Landschaft Landaus zu beschreiben. Ich wäre am Liebsten gleich wieder gegangen. Trotzdem ich mich als links bezeichne, habe ich mein Leben lang versucht, mich von Menschen fern zu halten, die ihre politische Gesinnung wie ein Modeaccessoire zur Schau stellen. Ich hatte fast das Gefühl, dass es den Menschen, die sich hier aufhielten, nicht möglich ist, sich auf den Inhalt einer Aussage zu konzentrieren, ohne mit einem Rotstift alles, was man sagte, nach ihren persönlichen Ansichten zu verbessern. Außerdem hatte ich mich – rein rechnerisch – vermutlich schon mit Erich Mühsam beschäftigt, als einige von den anwesenden Menschen gerade ihre Empfehlung fürs Gymnasium bekamen. Also was zur Hölle wolltet ihr mir hier erzählen?! (Liebe und so. Natürlich habt ihr Recht. Genervt hat es mich trotzdem.) Hier also war ich nun dazu verdammt, in den nächsten drei bis vier Jahren meine Wochenenden zu verbringen. Prost, Mahlzeit.

Doch trotzdem ich offen fragte, wie es möglich sei, einen „Fight Borders, Fight Nations!“ – Aufkleber direkt neben einen „Israel, ohne wenn und aber“ – Plakat zu kleben, wurde ich nicht als Antisemit aus dem Laden gejagt; sondern es wurde sich darüber unterhalten. Meine Punkte wurden verstanden und ich merkte, dass es hier zwischen Modelinken und Alkoholiker*innen eine Basis gab, auf der man aufbauen konnte (wobei mir der Alkoholismus zugegebenermaßen sofort imponiert hat). Also ging ich zu den Plena und wurde Mitglied des Fatals.

Ich habe wunderschöne Thekenschichten mit noch wundervolleren Menschen erlebt. Ich habe mit einem Lächeln im Gesicht die Kotze von mir völlig unbekannten Menschen weggewischt. Ich habe randalierende Punks von Konzerten entfernt und mit eben diesen am selben Abend noch ein Bier getrunken. Ich habe mit meiner Band hier gespielt und habe für befreundete wie fremde Bands Konzerte veranstaltet. Immer, wenn ich den Bands schon mehr Gage gegeben hatte, als an der Tür eingenommen wurde, kam ein*e Fatalist*in zu mir und meinte: „Hey, jetzt gib‘ denen doch mal noch mehr Gage. Die haben voll gut gespielt. Wenn wir unsere Künstler nicht gut behandeln, können wir gleich dicht machen.“ Spätestens jetzt war für mich klar; das Fatal ist kein Abstellgleis. Genauso wenig ist es ein Sammelbecken für radikale Linke.

Das Fatal ist unter’m Strich der einzige Grund, warum Studierende nicht reihenweise nach Karlsruhe oder Mannheim ziehen. Das Fatal ist die letzte Bastion alternativer, unkommerzieller Kultur; in einer Region, die lediglich Schlagzeilen mit Nazi-Demos oder vielleicht auch noch in Sommelier- Fachzeitschriften macht. Das Fatal ist ein Ort, an dem jede*r herzlich willkommen ist, im Rahmen der jeweiligen persönlichen Interessen einen erheblichen Teil für das kulturelle Leben Landaus beizutragen. Das Fatal ist ein Ort, an dem Demokratie gelebt wird. Das Fatal ist ein Ort, an dem die Menschenrechte geachtet werden. Kurzum: Das Fatal ist genau der Ort, an dem ich sein wollte. Mit allen Höhen und Tiefen, mit allen Ecken und Kanten.

Noch nie in meinen Leben hatte ich die Möglichkeit, für so viele Bands Konzerte zu veranstalten, ohne mir Gedanken um Geld machen zu müssen. Noch nie konnte ich mich in einer so familiären Atmosphäre streiten und wieder vertragen. Noch nie hatte ich so starke Abneigungen gegen einen Laden, den ich offensichtlich brauche, wie die Luft zum Atmen. Es ist das Paradies!
Und jetzt kommt irgendein Sesselfurzer, der glaubt in der Lage zu sein, das Fatal zu schließen. Ich meine: klar, ihr könnt uns den Laden dicht machen. Aber nur weil die Räumlichkeiten verschwinden, heißt das nicht, dass der Wille zur Gestaltung des kulturellen Lebens in Landau verschwindet. Und was noch wichtiger ist: Unsere Anlage verschwindet auch nicht. Genauso wenig wie wir, unsere Gäste und die unzähligen Bands und DJs, die immer wieder und gerne zu uns kommen.

Denkt mal drüber nach!

#fatalbleibt

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