Keine Tragödie, sondern ein Anschlag

In der Nacht vom 19.02.2020 kamen elf Menschen ums Leben. Ein rechtsextremer Verschwörungstheoretiker, aufgewachsen in Hanau hat einen Anschlag verübt. Ziel waren mehrere Shisha-Bars. In vielen Medien kursiert das Framing, dass es sich mutmaßlich um einen rassistisch-motivierten Anschlag handelt, das Mutmaßlich kann getrost gestrichen werden. Wer das „Skript“ von Tobias Rathjens liest, dem offenbart sich eine Welt voller Rassismus, Verschwörungstheorie, völkischem Gedankengut und Frauenfeindlichkeit.

Sein Rassismus und der Wunsch, dass Menschen sterben müssen, schreibt er sehr offen in die Welt. Er schreibt, dass sein Volk, die Deutschen, die Menschheit als solches erst emporgehoben haben und das Weg ins Paradies nur dann zu beschreiten sei, wenn „destruktive Volksgruppen“ in einer „Grob-Säuberung“ vernichtet sind. Die Völker, die er vernichtet sehen will, listet er auch auf, Ägypten, Marokko, Algerien, Tunesien, Israel, die Türkei und viele andere werden dort genannt. Nach der „Grob-Säuberung“ soll sodann eine „Fein-Säuberung“ stattfinden, welche die Bevölkerung südamerikanischer und asiatischer Länder treffen soll, aber auch Menschen in westlichen Ländern, welche nicht die Notwendigkeit sehen, dass es solch einen Genozid geben sollte.
Geprägt ist dieser Wunsch vom Märchen des großen Austausches. „The big replacement“, war auch der Titel des Manifestes des Rechtsterroristen Tarrant in Neuseeland. Der Große Austausch bzw. das Märchen davon nimmt auch in den Reden der QAnon Szene großen Raum ein. Eine Person mit großer Reichweite im Angloamerikanischen Raum ist die Seite Info-Wars von Alex Jones. Im Deutschsprachigen Raum ist es der ideologische Ideengeber Jürgen Elsässer vom Antaios-Verlag.

Für die Verbreitung in Deutschland sorgt primär die AfD im politischen und Rapper wie Chris Ares im medialen Raum. Rathjen fühlte sich zu dieser Melange aus Verschwörungen und Angst sehr wohl und nahm dieses ganze faschistische Konstrukt in sich auf. Als Mitglied eines Schützenvereins, war er auch gut an der Waffe geübt, der Mann wusste wie man schießt, er wusste wie man trifft.
Ähnlich wie bei Tarrant und Breivik, hat er sich im Internet radikalisiert und ist dort auf Zuspruch für seine Pläne gestoßen. Die milden Strafen im NSU-Prozess, sowie eine Chronik des Scheiterns der Behörden in anderen Ermittlungen wie dem Mordfall an Walter Lübcke, sind dahingehend ein infernal, welches diese Täter anstiftet im Sinne „Der Mehrheit“, bzw. im Sinne des „Volkes“,  wie es die AfD und andere rechte Kräfte dominieren, zu handeln.

Es handelt sich ab diesem Punkt nicht mehr um jemanden,  der alleine handelte und sich ganz für sich radikalisierte, sondern um jemanden, der auf einer Mission ist. Breivik nannte seine Mission einen Kreuzzug.

Wenn Faschisten wie Björn Höcke von einer Kalkulierten Grausamkeit sprechen und in ihren Büchern davon schreiben, dass mit einem „Eisernen Besen“ gekehrt werden müsste, so sind diese Sprachrohre des Hasses für solche terroristischen Akte mit in Haftung zu nehmen. Bis heute spricht auch niemand darüber, dass als Höcke vom eisernen Besen sprach, er wörtlich den in Nürnburg zur Rechenschaft gezogenen NSDAP-Täter Hans Frank zitierte.

Es ist keine Tragödie, es ist ein Anschlag. Es ist ein Anschlag in der logischen Folge, wenn Parteien wie die AfD die Axt an die Gesellschaft legen und nicht mal mehr durch die Blume von ethnischen Säuberungen reden. Der Verfassungsschutz reagiert nicht nur zu spät, sondern zu wenig. Bei der RAF hat die Bundesrepublik den Kampf aufgenommen, bei rechtem Terror zeigt sie sich untätig. Hans Georg Maaßen schreibt nur kurz nach dem Terrorakt in Hanau von den bösen Linken, dieser „objektive“ Mann, Wahlhelfer der AfD und Mitglied der CDU war Chef des Verfassungsschutzes.
Es ergibt sich das Bild einer Untätigkeit mit System.

Rathjens Anschlag diente dazu sich Gehör zu verschaffen, er fühlte sich gekränkt von der Welt, die seine „Ängste“ über den „großen Austausch“ nicht ernstnahmen. Er fühlte sich von „den Frauen“ verführt, die ihm von seinem Plan abhalten wollten und von den Geheimdiensten überwacht. Die „Frauen“ wollten nichts von ihm und jeder in seinem Umfeld soll ihn überwacht haben. Eine Mischung aus Einsamkeit, Paranoia und rechtsextremen Verschwörung brach sich so die Bahn in einer Bluttat, befeuert und befördert von den Apologeten des Hasses, wie Gauland, Höcke, Weidel, Maaßen und Meuthen.

Tobias Rathjen, war ein Mensch aus der Mitte der Gesellschaft. Er hatte BWL in Bayreuth studiert, sprach fast akzentfrei englisch und gab sich dennoch dem Hass hin. Rathjen war nicht der schmuddelige Bahnhofsnazi, sondern der nette Nachbar, der freundliche Bankangestellte. Wer Rechtsterroristen weiterhin als Einzelfälle darstellt, verklärt das Problem.

Wer wie die CDU und FDP in Thüringen keine staatspolitische Verantwortung aufgrund von Machtopportunismus übernehmen will, gießt Wasser auf die Mühlen des rechten Narratives, dass die Demokratie in Deutschland ausgedient hat, weil sie nicht funktioniert.
Wer wie Sigmar Gabriel in einem Tweet brennende Mülltonnen und den Tod von elf Menschen auf eine Stufe stellt, befeuert die Ansicht, dass Menschen, die nicht Deutsch genug aussehen, so viel Wert seien wie Mülltonnen.
Es heißt nicht mehr wehret den Anfängen, die Zivilgesellschaft muss den Kampf aufnehmen, oder wir befinden uns in einem Fahrwasser, was die Welt schon einmal in den Zivilisationsbruch geführt hat. Rathjen befolgte die Anweisung Gaulands, als er nach dem Einzug der AfD in den Bundestag in die Kameras sprach: „Wir werden sie jagen.“
Rathjen hat gejagt, nun sind elf Identitäten, elf Menschen, elf Leben für immer ausgelöscht.

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