-the Fachschaft strikes back- [ein Statement zur BundesWehrbung]

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Der folgende Beitrag ist als Reaktion der Psychologie-Fachschaft, genauer gesagt des Komitee der Psycho-Tage, auf den gestrigen Artikel Psychotage 2018 – BUNDESWEHRbung? zu sehen. Der Text ist hier ungekürzt zu lesen.

Wir sehen uns gezwungen, auf einen Artikel des „La Uni“-Campusmagazins zu antworten, der unter der Überschrift „Psychotage 2018 – BUNDESWEHRbung?“ (warum hängt der Autor überhaupt noch ein Fragezeichen hinten an, wenn sein ganzer Artikel doch die Sprache eines dreifachen Ausrufezeichens spricht?) versucht, die Psycho-Tage in ein bestimmtes, martialisch-tarnfarbenes Licht zu rücken. Diese Helme stehen uns aber wirklich nicht, und das liegt nicht nur an ihrer überdimensionierten Größe.
Zunächst: wer sind diese scheinbaren Kriegspropagandisten? Die „Psycho-Tage“ sind eine jährlich stattfindende Veranstaltungsreihe, welche von der Fachschaft Psychologie seit mittlerweile 20 Jahren organisiert wird. 2018 bieten wir vom 12. bis 15. November unser bislang umfangreichstes Programm mit insgesamt 39 psychologischen Vorträgen, Workshops und Filmen an. Das Ziel: den zukünftigen Psycholog*innen und allen an psychologischen Themen interessierten Studierenden der Universität Landau ein möglichst breites, differenziertes und realistisches Spektrum ihrer späteren Berufs- und Forschungsmöglichkeiten zu präsentieren. Wir verfolgen dabei den Ansatz, auch kontroversen Themen (und Gästen) eine Bühne zu bieten. Natürlich ist dies immer wieder ein schmaler Grad, schließlich gibt es nicht nur auf dem Markt der Heilberufe so manch unseriösen Akteur. Daher versuchen wir in unseren Veranstaltungen ein Mindestmaß an Seriosität und wissenschaftlicher Fundierung zu garantieren, etwa indem wir (fast) ausschließlich akademisch ausgebildete Psycholog*innen einladen. Die große Diskussionsbereitschaft beim kontroversen Vortrag zur „Psycholyse“ 2017 (der selbst am letzten Abend unserer Veranstaltungsreihe noch den BIII-Hörsaal füllen konnte) hat uns in diesem Vorgehen nur weiter bestärkt. Unser Publikum ist zweifelsfrei in der Lage, präsentierte Inhalte nicht einfach als gegeben hinzunehmen, sondern diese auch kritisch zu hinterfragen und in eine Diskussion mit unseren Vortragsredner*innen einzusteigen.
Unter unseren fast vierzig Dozierenden findet sich in diesem Jahr auch der Diplom-Psychologe Dirk Kittel, der beim Psychologischen Dienst der Bundeswehr als Trauerbegleiter beschäftigt ist. Herr Kittel kann mit Fug und Recht als „Dauergast“ der Psycho-Tage bezeichnet werden, da er in den letzten Jahren etwa 6-7 Mal dabei war (verzeiht, dass wir nicht genauer nachgezählt haben). In diesem Jahr stellt das aber anscheinend ein großes Problem dar, denn – so suggeriert der LaUni-Artikel – ist dieser Herr Kittel nur ein weiteres Rädchen in einer finsteren Manipulationsmaschinerie der Bundeswehr, die „mit Eye-Candy, mit Abenteuer und Emotion, mit vermeintlicher endlich-auch-Gendergerechtigkeit und Action“ das unschuldige deutsche Jungvolk um ihre Fingern wickeln wolle, um sie dann in ihren Unrechtskriegen zu verheizen.
Daher die erste Richtigstellung: Herr Kittel ist nicht Gunnery Sergeant Hartman aus „Full Metal Jacket“, sondern Psychologe in bürgerlichem Anzug. Er ist nicht daran interessiert, Soldat*innen für den Militärdienst zu rekrutieren, sondern über die (zivilen) Aufgabengebiete von Psycholog*innen bei der Bundeswehr zu informieren. So viel Differenzierung sollte dann doch sein. Nun kann man das natürlich „Werbung statt Bildung“ nennen, doch dieser Vorwurf müsste dann fairerweise den meisten unserer Vortragsredner*innen gemacht werden, die natürlich alle ein Interesse daran haben, ein positives Bild ihres Arbeitgebers zu vermitteln.
Was ist der Gegenstand des Vortrags? Zu den Aufgaben von Bundeswehrpsycholog*innen zählen unter anderem die Behandlung schwerster Traumafolgestörungen oder die Trauerbegleitung, also (um es böse auszudrücken) der Umgang mit selbstgemachten Problemen. „Die Bundeswehr will den Folgen des Kriegs mit ihrem wachsenden Psychologenkader beikommen.“ Diese Feststellung des Autors mag stimmen, doch was wäre die Alternative? Sollten Psycholog*innen in Zukunft die Arbeit mit traumatisierten Soldat*innen verweigern, weil diese den falschen Beruf ausüben? Wollen wir in ein Zeitalter zurück, in dem Soldat*innen „hart wie Kruppstahl“ sein müssen und keine Schwäche zeigen dürfen? So sehr wir uns alle den Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen wünschen, ändert das nichts an dem Fakt, dass die Bundeswehr nach wie vor einer der größten Arbeitgeber für Psycholog*innen in Deutschland ist und das auf absehbare Zeit auch bleiben wird (und dazu darf man stehen wie man will). Für uns ist das aber auch Grund genug, sich mit dieser Organisation auseinanderzusetzen. Sie einzuladen erschien uns dazu ein probates Mittel. Denn was wird dadurch erreicht, die Augen vor einer immer noch militarisierten Wirklichkeit zu verschließen, jeder Konfrontation auszuweichen und uns nur noch mit Dingen zu beschäftigen, die uns weltanschaulich in den Kram passen? Sollten wir unserem Publikum weismachen, ihre Berufsaussichten würden sich auf achtsam-meditative Körpertherapie beschränken? In einer idealen Welt bräuchten wir wahrscheinlich auch nichts weiter. Unter den derzeitigen Verhältnissen darf aber gerade die Bundeswehr niemals aus dem Fokus der zivilen Öffentlichkeit verschwinden, es ist ganz im Gegenteil begrüßenswert, wenn sie den offenen Austausch mit der (akademischen) Öffentlichkeit und damit ihrem Korrektiv sucht. Was wäre gewonnen, wenn sie sich in ihre eigene, von außen unkontrollierbare Sphäre zurückziehen würde?
Wir müssen die „Kritik“ des LaUni-Artikels, so inhärent schlüssig und gut gemeint sie auch sein mag, also entschieden zurückweisen. Der Artikel versucht, billige Manipulationsversuche der Bundeswehr und einen Berufsvortrag für angehende Psycholog*innen in einen Topf zu werfen und solange zu verrühren, bis alles eins ist. Argumente spielen dabei anscheinend keine Rolle, wenn doch nur der „Eindruck“ eines scheinbaren hochschulpolitischen Skandals hängenbleibt. Wenn das Studium aber zu etwas gut gewesen sein soll, dann, uns das voreilige Schlussfolgern abzugewöhnen.
Wir sind nämlich an keiner undifferenzierten Bundeswehr-Propaganda interessiert. Nein, unser Programm verfolgt nicht den Zweck, das „deutsche Militär – und darüber hinaus ihren Kriegseinsatz“ zu unterstützen. Welcher Kriegseinsatz ist hier überhaupt gemeint und welchen Beitrag soll dazu die Uni Landau geliefert haben?
Keine Sorge, wir werden das Atrium nicht zum Kreiswehrersatzamt ausbauen. Nein, wir werden keine albernen „Wir. Dienen. Deutschland“- oder „Hashtag Führen“-Plakate an der Blutroten Kaserne aufhängen. Nein, wer unsere Veranstaltung besucht, muss auch nicht befürchten, am nächsten Morgen gehirngewaschen eingezogen zu werden, um mit den anderen YouTube-Rekruten das Abendland im Schlamm der Vorpommerschen Boddenküste gegen einfallende Küstenseeschwalben zu verteidigen.
Wir laden alle Interessierten ein, sich auf den Psycho-Tagen ihre eigene Meinung zu bilden. Wenn ihr im Anschluss an den Vortrag ausgiebig diskutieren wollt, umso besser! Wann habt ihr denn schon mal einen echten Mitarbeiter der Bundeswehr vor der Nase? Wer auf den Vortrag hingegen keine Lust hat, dem bieten wir 38 Alternativen.
Wir hoffen, euch zahlreich bei den gar nicht mal so kriegerischen Psycho-Tagen begrüßen zu dürfen!

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