Psychotage 2018 – BUNDESWEHRbung?

Bildrechte: Phil Steiner
Die Bundeswehr wirbt um Fachkräfte. Als Teilnehmer am Wettbewerb um Talente wirbt sie auch vermehrt modern. Die Zielgruppe sind junge Menschen. Geworben wird mit Eye-Candy, mit Abenteuer und Emotion, mit vermeintlicher endlich-auch-Gendergerechtigkeit und Action – in Serien („Die Rekruten“), auf Postern (bspw. Mensa Uni Landau), auf bedruckten Bussen (bspw. QNV), im deutschen Fernsehen, auf Youtube, an Schulen – und auch an Universitäten. Im Rahmen der Landauer Psychotage 2018 soll die Bundeswehr nun auch an der Uni Landau um Rekruten werben dürfen.

Das Forum sieht einen Vortrag mit dem Diplom-Psychologen Dirk Kittel (laut „Wehrverwaltung Heft 2008“ Bundeswehr-Experte für Trauerbegleitung) vor, während derer „Betätigungsfelder, Entwicklungs- und Verdienstmöglichkeiten im deutschen Militär“ und „der Einstieg in den psychologischen Dienst in der Bundeswehr“ vorgestellt werden sollen. Von Bildung im universitären Sinne oder einem Workshop ist im Programm der Psychotage keine Rede. Im Rahmen des „Psychotage 2018-Antrags“ wurde eine finanzielle Subventionierung der Psychotage mit studentischen Mitteln vom Landauer Studierendenparlament (StuPa) genehmigt. Auf persönliche Nachfrage wurde ersichtlich, dass keine kritische Auseinandersetzung des Parlaments mit der Beteiligung der Bundeswehr bei den Psychotagen stattfand – das entsprechende Sitzungsprotokoll ist bis dato noch nicht veröffentlicht.

Das Orga-Team der Psychotage selbst räumte im Gespräch mit der LA.UNI zwar Bedenken ob des Militärs am Campus ein, will sich aber nicht klar positionieren: „Wir sind an allem interessiert, »was ist«“, schreibt das Team in einem offiziellen Statement der LA.UNI, und „dass unter ein derart breites Spektrum [der fast 40 Veranstaltungen] auch Bereiche fallen können, die nicht bei allen auf Anklang stoßen, haben wir letztes Jahr schon beim Vortrag von Peter Jarek zur sogenannten „Psycholytischen Therapie“ erfahren.“ Das Team sieht die geplanten Themen, wie bspw. Traumastörungen und Trauerbewältigung von SoldatInnen, als Werbung für Einsätze der Bundeswehr nicht geeignet, wenngleich Text der Veranstaltung einen definitiven Werbecharakter aufweist. Außerdem entstünden „uns oder dem Stupa keinerlei Kosten oder Ausgaben“ durch den Vortrag von Herrn Kittel.  Halt. Wenn die Bundeswehr in Zeiten finanzieller und diverser interner Krisen ohne finanzielle Gegenleistung Vorträge an Universitäten hält, in denen es explizit um Arbeitsfelder für Psychologen im Bundeswehrkader geht: Lässt sich das überhaupt anders, als mit „Werbung“ betiteln? Die Bundeswehr als Akteur im Krieg hat die psychische Überlastung von Soldaten mit zu verantworten, und will den Folgen des Kriegs mit ihrem wachsenden Psychologenkader beikommen. Das Schaffen einer Werbefläche im universitären Rahmen ist aber dennoch kritisch, weil auch unabhängige Experten extern des deutschen Militärs entsprechende Themen ausleuchten können – und zwar wissenschaftlich, forschungs- oder behandlungsorientiert, ohne die Verzerrung durch eventuell fragliche Motivationen. „Wenn schon die Bundeswehr in einer Universität bei einer eigentlichen „Bildungsveranstaltung“ auftritt, dann würde man sich doch auch „Bildung“ wünschen – und keine Rekrutierungs- und Werbeveranstaltung die es aufgrund der Event-Beschreibung zu sein scheint.“, kommentierte Prof. Dr. Gerhard Reese im Interview mit der LA.UNI.

Ob die Bundeswehr, ferner Rüstungsindustrie und ihre Werbungen universitäre Bühne bekommen sollten, ist natürlich eine Frage, die die Studierendenschaft und ihre Vertreter im StuPa beantworten müssen. Wollen wir als Studierendenschaft der Universität Landau das deutsche Militär – und darüber hinaus ihren Kriegseinsatz – unterstützen? Die Humboldt-Universität und Freie Universität Berlins standen 2017 vor einer ähnlichen Frage, als das Berliner Studierendenwerk Werbeplakate der Bundeswehr auf den Campus genehmigte. Das StuPa hat schnell reagiert und sich durchgesetzt: „Wir fordern das Studentenwerk Berlin und die Verantwortlichen der FU Berlin dazu auf, ihre Werberichtlinien dahingehend zu ändern, dass Werbung für Rüstung und Militär (und damit auch Werbung der Bundeswehr) nicht zugelassen wird. […] Wir sprechen uns für eine Freie Universität als Forschungs- und Bildungsstätte des Friedens aus“, lautete der Beschluss der Berliner StuPas.

Das Landauer StuPa hat es leider versäumt, diese Frage zu thematisieren. Wie sich das auf die Wahlergebnisse der beiden Vertreterlisten auswirkt, hängt nun auch von ihren Stellungnahmen gegenüber der Studierendenschaft ab.

edit: Da das Beitragsbild von dem Orgateam der Psychotage als bösartige Kritik an ihrer Arbeit aufgenommen wurde, habe ich es entfernt. Das war nicht die Intention, aber natürlich respektiere ich diese Interpretation. Sorry, dass die Reaktion so lange auf sich warten ließ!

4 Kommentare

  1. Mal ganz abgesehen davon, dass ihr in euren Recherchen etwas hinterherhinkt – dieser Vortrag findet mit nichten „nun auch“ statt, es gab ihn bereits die letzten Jahre und er fand immer großen Anklang – ist das doch eine sehr einseitige Darstellung des Themas und der Psycho-Tage. Bei den Psycho-Tagen geht es vor allem darum, Psychologiestudierenden aufzuzeigen, welche Möglichkeiten sie nach dem Abschluss haben und da nun mal faktisch die Bundeswehr in Deutschland ein sehr großer Arbeitgeber ist, gehört es mit dazu, diesen auch vorzustellen. Herr Kittel mag dabei begeistert von seiner Arbeit erzählen und etwas „Werbung“ dafür machen. Das tut jeder Referent von Daimler, Porsche, Bosch und Co. aber auch. Wo steht das in eurem super differenzierten Beitrag ?! Natürlich kann man sich darüber streiten, wie wünschenswert etwas Werbung in einem solchen Vortrag ist, allerdings muss man bedenken, dass diese Leute von ihrem Arbeitgeber dafür freigestellt werden und man sie ohne etwas Werbung vermutlich nicht gewinnen könnte. Aber viel wichtiger: Diese ganze Debatte muss man für JEGLICHE Berufsfelder bzw. Vorträge führen. Es ist wirklich unprofessionell, wie in diesem Beitrag alles so gefiltert und dargestellt wird, dass es letztlich aussieht, als wollten die Psycho-Tage lauter „kleine Soldaten heranzüchten“, das ist absoluter Quatsch und geschmacklos. Wenn es sich um eine so furchtbar aufdringliche Werbe-Veranstaltung handeln würde, wieso hat sich dann in den letzten Jahren niemand beschwert? Ich möchte überhaupt keine Aussage dazu treffen, was von der Bundeswehr zu halten ist, da muss sich jeder selbst eine Meinung bilden. Allerdings übersteigt das definitiv eure Zuständigkeit, zu verlangen, dass ein relevanter Arbeitgeber auf den Psycho-Tagen (die nun mal genau dem Zweck der Orientierung dienen) nicht sprechen soll.

  2. Danke, Marie! Bin ganz deiner Meinung; der Artikel trieft nur so von persönlicher Meinung und hat so einfach nichts in einem Uniblog zu suchen. Gerne kann man sich differenziert mit dem Thema auseinandersetzen, aber bitte nicht einfach nur respektlos persönliche Agenda in einem Unimedium verbreiten. Vielen Dank an das Orga-Team der Psychotage! Man merkt wie viel Mühe und Liebe in dem Projekt steckt! 🙂

  3. Ich finde es gut, dass hilflose und unmündige Menschen, wie es unsere Studenten nunmal sind, vor der bösen Werbung der Bundeswehr geschützt werden. Gut, dass das Stupa seine Fördermittel einsetzen soll, um die eigenen politischen Ansichten durchzudrücken und Vorträge zu sabotieren, die nicht genehm sind. Denn eine Universität beruht ja nicht auch dem freien Austausch der Gedanken, sondern dem Durchdrücken der eigenen Überzeugungen, egal ob diese vom Rest der Studierenden geteilt werden oder nicht. Und jetzt Mal ohne Ironie: Wenn es so schlimm ist, das die Bundeswehr eine Werbeveranstaltung hält, dann geht doch einfach nicht hin.

  4. Leider habe ich in den letzten Jahren immer wieder beobachten müssen, dass sich viele (zum Glück nicht alle) landauer Studierende und auch Lehrende in einem politischen Vakuum wähnen. So dass z.B. Gleichstellungs- und anderen politischen Themen, wenn überhaupt, nur auf sehr reaktionäre Weise Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Meiner Meinung nach ist das Wohnen in einer Kleinstadt aber kein Rechtfertigungsgrund sich aus seiner politischen Verantwortung zu ziehen, weshalb ich den kritischen Artikel über die Teilnahme der Bundeswehr an den Psychotagen gut und wichtig finde.

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