…und die Psychotage super sind! Die Bundeswehr (BW) soll im Rahmen der Psychotage 2018 einen Vortrag mit Werbecharakter halten. Wir wiesen in unserem scharfen Artikel darauf hin. Das bildreiche statement der Psychofachschaft der Uni Landau ging zum Glück schnell bei uns ein. Den entstandenen Missverständnissen und lauten Kritiken sowie offenkundigen Ambiguitäten möchte ich hier beikommen.
Ich möchte mich vorab für die Polemik entschuldigen, die meine Argumente scheinbar sehr stark verzerrt hat, und möchte meine Argumente noch einmal verdeutlichen. Ich bin dem aktuellen und früheren Teams der Psychotage natürlich (!!) sehr dankbar für das jährliche Forum, das sie für die Uni Landau organisiert. Ein Ehrenamt an der Uni ist immer mit immensen Energie- und Zeitaufwänden verbunden. Der Respekt davor ist selbstredend, hier aber noch einmal in aller Deutlichkeit: Danke, dass ihr das macht! Die Intention des Artikels ist auf keinen Fall eure Diffamierung oder Diffamierung der Psychotage. Sondern vielmehr ein Anstoß, um in der Studierendenschaft die Diskussion ob einer BW-Werbeveranstaltung – unabhängig von ihren Rahmenbedingungen – anzuregen.
Dabei rückt er die Psychotage auch nicht wirklich in ein martialisch-tarnfarbenes Licht und unterstellt der Fachschaft auch keine Kriegspropaganda. Er unterstellt der Veranstaltung keinen „Gunnery Sergeant Hartman“, der bei seiner universitären Stubenvisite den arbeitsuchenden Psychos befehlsstark den Kopf waschen will, und auch keine Verschwörung mit einem heimlichen Universitäts-Militär-Komplex (liebe AutorIn, in unserer Kreativabteilung ist noch Platz; wir schicken dir die Tage eine Friedenstaube mitsamt Arbeitsvertrag und Blankoscheck). Genauso wenig ist der Artikel ein Aufruf zum StuPa-Wahlen-Boykott. Das Statement hat auch deutlich gemacht, dass die Grenzen des „guten Geschmacks“ auch mit der Lesart zusammen hängen. Die viel zu großen Helme tragen nämlich eigentlich nicht die TeilnehmerInnen und OrganisatorInnen der Psychotage, sondern sinnbildlich „Lord Helmchen“-stilisierte, und vermeintlich (keine) SoldatInnen (wer mit der Maus auf dem Bild geblieben ist, hat unser kleines Easteregg gefunden). Das Bild zielt auf den Begriff der „zivilen Arbeit“ bei der BW ab, und auf grundsätzliche Fragen – nicht auf die Psychofachschaft oder die Psychotage. Sorry für die Missverständlichkeit (wir machen das hier ebenfalls ehrenamtlich)!
Dass die Traumabehandlung von SoldatInnen absolut richtig und wichtig ist, steht außer Frage. Da spricht das Statement etwas Richtiges an, denn das stimmt. Doch es bleibt fraglich, ob die Rückführung von belasteten SoldatInnen in das zivile Leben durch die BW die regelmäßige Präsenz der BW an der Universität Landau legitimieren darf. Und das wiederum darf auch nicht ohne Kritik sein. Das Militär ist per Definition und (völker-)rechtlich klar von der Zivilbevölkerung abgegrenzt, und das aus guten Gründen. Diese Regelung darf nicht aufweichen. Liebes Team der Psychotage. Dass der Herr Kittel nun früher schon da gewesen ist und sich niemand daran gestört hat, geschweige denn der Umstand diskutiert wurde – das ist doch ein super Grund, die verschleppte Diskussion jetzt endlich mal zu führen. Die BW hat mehrere eigens für ihren Kader forschende und ausbildende Universitäten, die u.A. das Studium der Psychologie anbieten. Wer wirklich beim Bund arbeiten möchte, wird dort fündig, und lernt den Krieg konsequenterweise in all seinen Facetten kennen. Die Werbung der BW sollte vor diesem Kontext noch einmal reflektiert werden: > Muss eine Arbeit, die auch extern der BW an Wichtigkeit und Richtigkeit nichts einbüßt, gerade von der BW präsentiert werden? > Gibt es vielleicht vergleichbar kompetente TraumaspezialistInnen, die dozieren könnten ohne für Arbeit im deutschen Militär zu werben? > Ist damit zu argumentieren, dass es schon in Ordnung ist, wenn die BW mit der Ausbildung von Psychologen nicht der Nachfrage hinterherkommt? > Ist das selbstverständlich? Per Definition gehört eine Zivilperson während eines bewaffneten Konflikts keiner Kampforganisation an – und trägt keine Uniform. > Inwiefern ist dann aber meine Arbeit als PsychologIn, bezahlt von derselben Kampforganisation, die die Schäden zu verantworten hat, die ich behandle, als wirklich zivil zu definieren?
Es wird deutlich: Es entsteht ein Interessenskonflikt, der in diesem aktuellen Streit zutage tritt. Die Bundeswehr mit im tieferen Sinne zivilen Arbeitgebern wie Porsche oder Daimler und Co. gleich zu setzen, ist darum diskutabel. Auch die BW wirbt wie andere Teilnehmer des Wettbewerbs um Fachkräfte strategisch und bedürfnisorientiert. So wird in akademischen Kreisen in akademischem Stil geworben. In der „Bravo“ wurde 2014 mit einem „Adventure Camp“ der deutschen Luftwaffe auf Sardinien geworben, beim „Tag der Bundeswehr“ der letzten Jahre durften Jugendliche und Kinder auf Panzern klettern und „Krieg spielen“. In entsprechenden Kreisen lassen sich wahrscheinlich Individuen finden, die es nicht für geschmacklos halten, Kinder auf Panzern klettern zu lassen. Auch diese Diskussion muss geführt werden. Die pietätlose BundesWehrbung musste sich über die Geschmacklosigkeit hinaus auch der grundsätzlichen Kritik an Werbeveranstaltungen von BW-Vertretern in der zivilen Welt aussetzen. Und so auch das Werben im akademischen Rahmen. Auch, wenn im Atrium keine „Wir. Dienen. Deutschland“- oder „Hashtag Führen“-Plakate hängen werden: Der Auftritt bleibt, was er ist. Eine Bühne den Interessen des Militärs – nicht einfach irgendeines Arbeitgebers. Das Bieten einer Bühne für Kontroverse ist per se auch nicht schlecht. Aber wenn dieser Kontroverse Bühne geboten wird, muss sie entsprechend präsentiert werden. Das war nicht der Fall, und das fiel auf.
Eine Aufgabe des Journalismus (ob professionell oder ehrenamtlich) ist das aufmerksam machen auf eben solche Missstände und das Überwachen der Systeme, in denen Menschen sich bewegen. Und an denen Menschen sich orientieren. Argumente können transportiert werden, und die Möglichkeit muss geboten sein, diese anzunehmen, oder sie abzulehnen. Man ist nicht immer in völliger Tiefe mit jedem Thema zugleich vertraut. Und man kann nicht jede Information ständig selbst erarbeiten. Ain‘t nobody got time for that! Darum noch einmal, »was ist«:
Es soll eine Werbeveranstaltung der BW im Rahmen der Psychotage 2018 stattfinden.
Das StuPa hat diese Veranstaltung trotz ihrer Kontroverse nicht diskutiert.
Der Vortrag bringt keine weiteren Kosten mit sich, was den Werbecharakter bestärkt.
Auf Nachfrage wurde eingeräumt, dass eine anschließende Diskussion zwar begrüßt, aber nicht organisiert worden ist.
Die StuPas Berlins haben einen allgemeinen Beschluss bzgl. der Werbung durch die BW verabschiedet.
Die Studierendenschaft, sowie das StuPa sollten diese Kontroverse offen diskutieren. Denn die Uni Koblenz-Landau gehört zu den deutschlandweit 24 Universitäten, die keine Zivilklausel haben, welche eine friedensorientierte Forschung sicherstellt und Forschungsaufträge durch die BW ferner das Verteidigungsministerium verbieten würde. Gerade am Campus Koblenz wird zur Zeit in Auftrag der BW für Waffen- und Aufklärungssysteme geforscht. > Wie nah wollen wir die Bundeswehr an der akademischen Welt haben? > Wie normal soll es sein, dass die BW im akademischen Stil um Fachkräfte wirbt? > Was ist uns diese Kontroversenbühne wert? Leider ist die Diskussion um die Zivilklausel in der Studierendenschaft über die Jahre zum Erliegen gekommen. Ich möchte darum alle Studierenden und ihre VertreterInnen ermutigen, sich der Thematik zu widmen und die Fragen zu diskutieren, die mit ihr aufkommen. Die Reaktionen auf den Artikel haben gezeigt, wie verschieden das Thema wahrgenommen wird, und wie viel Diskussionsbedarf herrscht.
Ich möchte darum alle LeserInnen, ob sie mit den in der LA.UNI veröffentlichten Ansichten übereinstimmen oder nicht, einladen, ihre Ansichten ebenfalls bei uns zu veröffentlichen. Alle Studierenden, Dozierenden und Fachschaften sind eingeladen, ordentlich zu diskutieren. Denn wie wir alle wissen, sind Räume wie Facebook nicht die geeignetsten Orte, um fokussiert zu diskutieren. Wir wollen euch gerne das schriftliche Sprachrohr bieten, um mit Klarnamen oder anonym (per Mail an chefredaktion@la-uni.org) eure Ansichten und Gedanken mit der Studierendenschaft zu teilen.
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