Landaus Studienprogramm – Deutsche Sicht

Die alte Sorbonne

Gastbeitrag von Lea-Sophie Mantik

Vorletzte Woche habe ich euch bereits von unserem deutsch-französischen Studienprogramm berichtet. Heute möchte ich euch gerne meine gesammelten Eindrücke schildern, damit ihr einen Einblick in das Leben einer Studentin eines bilingualen Studiums bekommen könnt.

Vor drei Semestern habe ich mich dazu entschlossen, mich bei dem Programm zu bewerben. Nach erfolgreicher Zulassung zu dem Lehramtsstudium mit den Fächern Französisch und Deutsch fing mein erstes Lehrjahr in Landau an. Ich habe die Einführungsvorlesungen meiner Fächerkombination besucht und meine Kommilitonen sowie Landau näher kennengelernt.

Gegen November startete dann das Tandemprojekt – aus meiner Sicht ein großer Pluspunkt des Programms. Infolgedessen wurden wir einem unserer Kommilitonen aus Paris zugeteilt und konnten diese via Videotelefonate endlich kennenlernen. Das war für uns alle total spannend, schließlich werden wir die restliche Zeit unseres Studiums gemeinsam verbringen. Meine Tandempartnerin und ich verstanden uns von Anfang an gut und hatten immer viel zu lachen. Zugegeben waren wir nicht jederzeit produktiv im Sinne von der Erarbeitung einzelner Themen, die wir miteinander besprechen sollten. Dafür haben wir uns auf einer persönlichen Ebene angenähert. Währenddessen kamen kulturspezifische Themen automatisch in der Diskussion auf. Für mich war es sehr interessant und spannend, direkt aus erster Hand die Meinung einer Französin zu hören. Was geht in ihrem Land so vor sich? Wie betrachtet sie Frankreich? Was denkt sie/die Franzosen über Deutsche? Wie studiert man eigentlich so in Frankreich? Aufgrund unserer Studienwahl hatten wir bereits einige Gemeinsamkeiten. Im Laufe der Zeit haben wir auch ein paar der anderen Programmteilnehmenden kennenlernen können. Jeder fand jemanden, mit dem er/sie sich gut verstand und den Kontakt aufrechterhalten wollte. Zum Abschluss mussten wir mit unserem Tandem einen Vortag vorbereiten. Meine französische Kommilitonin und ich entschieden uns für das Thema „Rassismus“. Wir informierten uns über die Lage im Heimatland und präsentierten der jeweils anderen unsere teilweise erschreckenden Ergebnisse. Schnell kamen wir zu dem Entschluss, dass Rassismus ein universelles Problem darstellt und der Austausch bzw. die Suche zum Gespräch umso wichtiger ist! Der offene Umgang mit anderen Kulturen, Menschen, Religionen etc. ist für uns ein zentraler Bestandteil des eigenen Lebens, der uns auch bewegt hat, Lehramt zu studieren. Das Ziel: Wir wollen unseren zukünftigen Schülern die Augen für eine multikulturelle Welt öffnen!

So machten wir uns wieder an die Arbeit und büffelten, denn das Programm sieht die Regelstudienzeit vor. Glücklicherweise hatte ich die Prüfungen dann erfolgreich bestanden und konnte mich psychisch auf Paris einstellen. Jedoch war es aufgrund Corona im Jahr 2020 generell sehr schwer, irgendetwas zu planen. Mittlerweile werde ich von meinen Freunden schon ausgelacht, wenn ich sage, dass ich überhaupt Pläne gemacht hatte. Wie ihr euch bestimmt denken könnt, war der letzte Sommer dann ein Auf und Ab der Gefühle: Können wir denn wirklich nach Paris und unser Studium dort anfangen? Kündige ich jetzt meine Wohnung in Landau? Aber was passiert, wenn ich nicht nach Paris gehen kann?? Dann hätte ich keine Wohnung mehr – Stress pur. Auf der anderen Seite habe ich eine Kündigungsfrist von drei Monaten… Das kann ziemlich teuer werden… Ach ja: Ich brauche ja auch noch eine Unterkunft in Paris! Warte und hoffe ich auf einen Platz im Studentenwohnheim oder suche ich nach Alternativen? Abwägen, nachdenken, abwägen, Nachrichten schauen, hoffen, googeln, nachdenken… Es wurde nicht wirklich besser. Möchte ich im Falle eines Lockdowns in Paris dann auf 9 m2 eingesperrt sein und nur für eine Stunde am Tag meine Zelle verlassen können? Nein! Wie sieht es eigentlich mit meinem Stipendium aus? Würde ich es in diesem Falle noch bekommen? Am Ende stehe ich ohne Wohnung und ohne Stipendium da. Diese Worst-Case-Szenarien kosteten mich einige schlaflose Nächte. Zum Glück hatten wir ja Ansprechpartner*innen, die wir kontaktieren konnten! Sie gaben ihr Bestes, möglichst schnell an verlässliche Informationen zu gelangen. Ende August kam dann die erlösende Nachricht: Ihr könnt nach Frankreich und werdet auch euer Stipendium erhalten. Erleichterung! Nichts wie Koffer packen, den Vermietern schreiben, Abschied nehmen, Kofferraum auf, Gepäck ins Auto und los! Auf ging es ins Abenteuer Paris!

Im Bild: Mélisande (Paris) und Lea (Landau)
Mélisande (Paris) und Lea (Landau)

Kurze Zeit später fing dann auch das Semester in Paris an. Der erste Weg zur Uni war schon ein Eintauchen in das Pariser Großstadtleben: Zug, Zeitungen, Metro, Menschenmengen sowie ein kleiner Stop in einer Bäckerei für den obligatorischen Café und das Croissant. Nach über einer Stunde bin ich dann endlich an der Uni angekommen. Die Leitung der Sorbonne Nouvelle entschloss sich für ein hybrides Semester. Die Studierenden wurden nach ihrem Geburtsdatum in ungerade blaue Wochen oder in gerade orangene Gruppen eingeteilt, damit die Anzahl der Kursteilnehmenden in etwa halbiert wurde. Nach ein paar anfänglichen organisatorischen Schwierigkeiten gewöhnten sich sowohl Dozierende wie auch Studierende an dieses Verfahren. Allerdings kam dann auch schon der Lockdown in Frankreich…

Glücklicherweise konnte ich innerhalb der ersten Wochen endlich meine Kommilitonen, die ich bereits zuvor per Videokonferenzen kennengelernt hatte, treffen. Es war ein schönes Gefühl von ihnen empfangen zu werden, wenn auch die erste Begegnung komisch war, da wir uns eigentlich noch nie richtig gesehen hatten, uns aber dennoch schon recht gut kannten. Gemeinsam hatten wir dann unsere ersten Seminare, in denen wir den Dozierenden erstmal unser neues Programm vorstellen mussten. Meine ersten Eindrücke vom Studieren in Frankreich erhielt ich in den Kursen: Einführung in die französische Sprachwissenschaft und langues en contact: allemand – anglais (« Sprachen im Kontakt : Deutsch – Englisch »). Für mich war es am Anfang sehr schwierig, die Dozierenden zu verstehen, da in der Universität die uneingeschränkte Maskenpflicht galt – auch am Platz. Allgemein habe ich aber von der Dozierenden- sowie Studierendenseite der Sorbonne Nouvelle eine sehr offene und hilfsbereite Art feststellen können. Es wurde wirklich darauf geachtet, dass alle Studierenden dem Unterricht folgen können. Zudem wurde von einigen Lehrenden versucht, die Interkulturalität, die innerhalb der Kurse besteht, zum Vorteil für alle zu nutzen. So wurden Erasmus-Studierende häufig nach ihrer Meinung gefragt und gebeten, etwas von ihrem Herkunftsland zu erzählen. Dieser kulturelle Austausch faszinierte mich. Genau das war mein Ziel!

Allerdings wurde mir dann auch ziemlich schnell bewusst, dass in Frankreich SEHR viele Prüfungen geschrieben werden. Die Studierenden werden in jedem Fach mindestens zwei Mal geprüft und haben meistens zusätzlich noch Aufgaben einzureichen, die benotet werden und mit zur Abschlussnote zählen. Dementsprechend wurde es sehr schnell ziemlich stressig. Es gab immer etwas zu tun, da das Wintersemester in Frankreich das erste komplette Online-Semester war und folglich alle vor dem Problem der Online-Lehre standen. Wie ihr euch sicherlich schon denken könnt, kam auf uns Studierende eine Aufgabenflut zu. Was mich immer weiter zum Arbeiten motivierte, waren die interessanten Themen, die wir behandelten. Ich lernte etwas über Übersetzungen, die französische Literatur des 20. Jahrhunderts, die englische sowie deutsche Sprachgeschichte, Dramatik, spielerische didaktische Methoden und wiederholte die Geschichte Deutschlands. Zugegeben war Letzteres für mich eine Herausforderung, da Geschichte in der Schule nie mein Lieblingsfach war und die Schulzeit dann doch schon länger zurückliegt, als man eigentlich so denkt… Als Abschlussprüfung wurden entweder Online-Prüfungen geschrieben oder Referate per Videokonferenz gehalten. Letztere wurden häufig in Gruppenarbeit erstellt sowie vorgetragen. An dieser Stelle war es von Vorteil, dass ich die anderen Studierenden des Programmes kannte. So bildeten wir Referatsgruppen und bekamen nebenbei mehr vom Leben der anderen mit, während wir das Referatsthema erarbeiteten. Und das ein oder andere Privatgespräch war dann doch interessanter als Uni. Nach anfänglichen Diskussionen über die Form bzw. den Aufbau eines Referates, der in den beiden Ländern sehr unterschiedlich ist, konnten wir dann auch wirklich mit dem Inhalt anfangen. Am Ende kam immer eine tolle Präsentation heraus. Bei der Zusammenarbeit merkten wir, dass wir alle wirklich an den Themen interessiert sind und das richtige Studium für uns gewählt haben. Der fast schon obligatorische Anruf direkt nach dem Referat schweißte uns noch mehr zusammen. Danach konnten wir uns dann auch noch auf persönlicher Ebene unterhalten und das nächste Treffen ausmachen. Ich habe hier in Paris wirklich tolle Kommilitonen kennengelernt! Auch in diesem Semester setzt sich das Konzept der Uni sowie unserer Arbeitsweise durch. Ich bin mir sicher, dass wir noch eine tolle Zeit gemeinsam haben und das Beste aus einem Online-Semester machen werden. Es warten noch einige Prüfungen und Präsentationen sowie ein Praktikum auf uns. Auf Letzteres freue ich mich besonders, da ich sehr interessiert bin, wie die Unterrichtsplanung hier in Frankreich so aussieht. Zudem bin ich schon gespannt auf die Lehrweise an französischen Schulen.

Seit Beginn dieses Jahres bin ich mit meiner französischen Kommilitonin in eine WG gezogen. Bei uns macht sich der kulturelle Austausch auf allen Ebenen bemerkbar. Wir sprechen hauptsächlich auf Französisch, jedoch kann es spät abends zu einem interessanten Sprachmix kommen. Wahrscheinlich würde niemand unserer Konversation folgen können, aber wir verstehen uns. Was bei uns auch nicht fehlen darf: der kulinarische Austausch. Wir lieben es beide, zu kochen und zu backen. Es macht jedes Mal Spaß, ein neues Rezept kennenzulernen und direkt bei der Zubereitung helfen zu können! Natürlich wird dabei immer viel gequatscht und es werden viele Themen, auch von politischer Natur, angesprochen. Für mich geht ein Traum in Erfüllung, dass ich den kulturellen Austausch leben kann und meinen Horizont erweitern kann. Diese Bereicherung kann ich jedem nur wünschen! Ich bin sehr froh und dankbar, ein Teil dieses Studienprogramms sein zu dürfen!

Und das war der letzte Beitrag unserer Frankreich-Reihe! Wir danken Lea und Mélisande für ihre Beiträge! Im März geht es dann weiter mit einer etwas anderen Märchen-Reihe.

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