Der Antisemitismus und die Demos in Deutschland

©pixabay

Das ist der dritte Artikel unserer Reihe zum Thema Rechtsextremismus und Antisemitismus in Deutschland.

Bevor sich die Situation in Israel so verschärft und zugespitzt hat, hatte ich mit dem Schreiben schon begonnen. Ich wollte den Fokus besonders auf den Antisemitismus in Anti-Corona-Demos legen. Dass aktuell nicht nur solche Demos, sondern auch jene bezogen auf den Nahostkonflikt stattfinden, macht die Situation der jüdischen Bevölkerung, die derzeit mit Angst und Angriffen leben muss, nicht besser.

Ich möchte trotzdem nochmal ein paar Schlagzeilen nennen, die in den letzten Monaten veröffentlicht wurden:

„Querdenker“-Demo: Elfjährige vergleicht sich mit Anne Frank¹

 „Die Querdenker und ihre unerträglichen Vergleiche mit der NS-Zeit“²

Außerdem trugen einige Teilnehmer bei einer Demonstration in München Davidsterne mit der Bezeichnung „ungeimpft“ und es gab auch Plakate mit den Aufschriften „Impfen macht frei“³.

Man hört aber auch von Vergleichen mit damaligen Widerstandskämpfern, wie in dieser Schlagzeile:

„Bei einer Demonstration in Hannover vergleicht sich eine Gegnerin der Corona-Maßnahmen mit Sophie Scholl (ZDF)“

Es gibt einige Fragen, die aufkommen, wenn man von solchen Nachrichten erfährt. Was denken sich diese Menschen dabei? Wollen sie Stärke zum Ausdruck bringen oder sich in eine Art Opferrolle begeben?

Dass sich manche der Demonstrierenden selbst nicht antisemitisch sehen kann durchaus sein, trotzdem tragen besonders die Menschen, die Vergleiche mit Widerstandskämpfern oder NS-Opfern aufstellen, dazu bei, dass jegliche Achtung vor den Geschehnissen der NS-Zeit – und damit auch der Juden – verloren geht und der Holocaust sogar relativiert wird.

Und auch bei den Demonstrationen aufgrund der aktuellen Situation im Nahen Osten ist es ziemlich fragwürdig, wo und ob man hier noch auf konstruktive Kritik stößt. Auch bei diesen Demos fallen nicht nur Ausdrücke – es resultierten bisher sogar Taten wie Angriffe auf Synagogen.

Grenzen werden überschritten

Ein Gedanke zu den Demos bezogen auf Israel wurde bereits in einem Artikel der Tagesschau benannt: Die Wissenschaftlerin Juliane Wetzel erklärt, es sei selbstverständlich möglich, Kritik an der israelischen Politik zu äußern – und das werde auch kontinuierlich getan.  „Wenn ich sage, ‚Netanyahu ist ein schlimmer Politiker‘, dann ist es völlig legitim“, erklärt die Forscherin. „Wenn ich aber sage, ‚Netanyahu ist ein schlimmer Politiker, das ist typisch für Juden‘, dann habe ich die Grenze genau überschritten.“

Es wird also schon dann eine Grenze überschritten, wenn die Kritik nicht mehr sachlich aufgegriffen wird, sondern (in den Äußerungen) auch noch Hass und Hetze gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen betrieben wird und ich glaube, das ist vielen Menschen nicht bewusst. Viele Menschen, die solche Aussagen treffen, verwechseln vielleicht auch, dass das nichts mehr mit freier Meinungsäußerung zu tun hat. Antisemitismus ist- genauso wie Rassismus- keine Meinung!

Zu erwähnen ist auch, dass das grundlegende Existenzrecht Israels häufig infrage gestellt wird und jüdische Gläubige mit Einwohnern Israels gleichgesetzt werden, was sich darin äußert, dass vor Synagogen und nicht vor dem Konsulat/der Botschaft demonstriert wird.

Durch all die Vorfälle, die sich schon monatelang zuspitzten, wird in der Politik nun intensiv über Maßnahmen und Konsequenzen diskutiert. Der Bundesinnenminister Horst Seehofer kündigte schon vor Tagen ein hartes Durchgreifen an: Wer antisemitischen Hass verbreite, werde die volle Härte des Rechtsstaates zu spüren bekommen. Deutschland dürfe kein Rückzugsraum für Terroristen sein.“

Hinzuzufügen ist noch, dass der Antisemitismus vor allem aktuell in Bezug auf den Nahost-Konflikt gerne als „importiert“ und muslimisch dargestellt wird. Der überwiegende Teil antisemitischer Straftaten ist jedoch rechtsextremistisch motiviert, dazu wird oft leider geschwiegen.

Wie fühlt sich die jüdische Bevölkerung in Deutschland?

Bei einer Sendung von Markus Lanz am 19.05.21 sprach die Präsidentin der jüdischen Studierendenunion Deutschland, Anna Staroselski, über die Unsicherheiten, die man als jüdischer Staatsbürger in Deutschland habe: „Mütter hätten Sorgen, ihre Kinder in jüdische Schulen zu lassen; man überlege sich dreimal, ob man seine Adresse öffentlich gemacht habe; man schaue sich dreimal um, wer einem noch in der Straße umgebe; man schaue, ob man etwas jüdisches an sich habe.“⁷

Weiterhin wünscht sich Staroselski, „dass man schon in der frühkindlichen Bildung präventiv etwas tue, als Beispiel einen Besuch in der Synagoge oder dass man ein jüdisches Gebet sehe und dass man das Bild von Jüdinnen und Juden verändere.“

„Miteinander statt übereinander reden!“

Dafür engagiert sich Meet a jew“ (instagram @meet_a_jew), ein seit 2020 bestehendes Begegnungsprojekt des Zentralrats der Juden in Deutschland, welches aus freiwilligen jüdischen Menschen besteht, die vor Ort in Schulen, Universitäten und weiteren Einrichtungen oder Corona-bedingt auch online Begegnung entstehen lassen.

Auch ich durfte live beim Austausch mit ihnen dabei sein, denn im April dieses Jahres lud unsere Uni zu einem Begegnungstreffen mit Teilnehmenden ein! Im Mittelpunkt stehen lebendige Gespräche und es geht darum, Vorurteile gegenüber Juden abzuschaffen oder wie sie selbst sagen „das oft verfestigte Bild von Juden in der Gesellschaft aufzubrechen“.¹⁰

Auch hierzu noch ein letzter Gedanke von Leonard Kaminski, Gründungsmitglied des RIAS-Bundesverbands (Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus) und Coach bei Meet a jew, im Interview mit der taz, die Tageszeitung: „Ich persönlich bin kein großer Fan davon zu sagen: Wir brauchen einfach nur Bildung. Das bringt’s auch nicht unbedingt. Es gibt leider auch hochgebildete und intelligente Antisemiten. Was dagegen immer hilft, sind Begegnungen.“¹¹

 

Quellen:

¹https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_88944938/bei-querdenken-demo-in-karlsruhe-11-jaehrige-vergleicht-sich-mit-anne-frank.html 
(abgerufen am 05.05.21 um 10:25 Uhr)

²https://www.juedische-allgemeine.de/politik/die-querdenker-der-holocaust-und-die-unertraeglichen-vergleiche-mit-der-ns-zeit/ 
(abgerufen am 05.05.21 um 10:15 Uhr)

³https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-antisemitismus-corona-demos-qanon-verfassungsschutz-1.5173333
(abgerufen am 19.05.21 um 16:22 Uhr)

⁴ https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-querdenken-sophie-scholl-100.html
(abgerufen am 05.05.21 um 10:08 Uhr)

https://www.tagesschau.de/faktenfinder/podcast/antisemitismus-israel-103.html
(abgerufen am 21.05.21 um 10:35 Uhr)

https://www.tagesschau.de/inland/antisemitismus-195.html
(abgerufen am 21.05.21 um 10:56 Uhr)

⁷https://www.zdf.de/gesellschaft/markus-lanz/markus-lanz-vom-19-mai-2021-100.html
(abgerufen am 21.05.21 um 11:10 Uhr)

⁸https://www.zdf.de/gesellschaft/markus-lanz/markus-lanz-vom-19-mai-2021-100.html
(abgerufen am 21.05.21 um 11:10 Uhr)

https://www.zentralratderjuden.de/angebote/bildung/meet-a-jew/
(abgerufen am 22.05.21 um 20:10 Uhr)

¹⁰https://www.zentralratderjuden.de/angebote/bildung/meet-a-jew/
(abgerufen am 22.05.21 um 20:10 Uhr)

¹¹https://taz.de/Leonard-Kaminski-ueber-Antisemitismus/!5767387&s=leonard/ 
(abgerufen am 21.05.21 um 10:44 Uhr)

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-04/antisemitismus-berlin-juedische-schueler-angriffe/seite-2?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.ecosia.org
(nachträglich abgerufen am 26.05.21 um 15:25 Uhr)

 

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.