Die Antwort auf den Dammbruch

Die Wahl des neuen Ministerpräsidenten von Thüringen vom 05.02.2020 schlägt deutschlandweit Wellen. Hashtags wie #thüringen, #fckfdp oder #dammbruch trenden an diesem Tag bei Twitter. Auch in Landau gab es Reaktionen, am Abend versammelten sich Bürgerinnen und Bürger spontan vor dem Wahlkreisbüro der FDP in Landau. Ein Bericht

Überraschend wurde in Thüringen ein neuer Ministerpräsident, Thomas Kemmerich (FDP), gewählt, damit endet die Amtszeit des bisher amtierenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die Linke). Neben Kemmerich, der 45 Stimmen, und Ramelow, welcher 44 Stimmen erhielt, trat der parteilose Christoph Kindervater auf Vorschlag der AfD an. Auf ihn entfiel keine einzige der 90 Stimmen, es gab eine Enthaltung [1].

Kemmerich nahm die Wahl an, eine Entscheidung, die ihm neben der bloßen Kandidatur im dritten Wahlgang (die zwei vorhergehenden führten zu keiner Entscheidung) angekreidet wird. Der FDP-Politiker, dessen Partei bei der Landtagswahl im letzten Jahr mit gerade einmal 73 Stimmen mehr als nötig die Fünf-Prozent-Hürde schaffte [2], kam nur mithilfe der Stimmen der AfD-Landtagsfraktion auf das entscheidende Ergebnis von 45 Stimmen. Da der Kandidat der AfD keine Unterstützung seiner Partei erhielt, liegt der Schluss nahe, dass es sich um ein gezieltes taktisches Manöver handelte.

Die Tatsache, dass ein Ministerpräsident mithilfe der AfD, „mit den Stimmen von Nazis wie Herrn Höcke“, wie es selbst der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak [3] formuliert, an sein Amt kommt, stellt ein groteskes Novum in der Geschichte der Bundesrepublik dar. In Thüringen kam es in mehreren Städten, unter anderem in Erfurt, Jena und Weimar, zu Spontandemonstrationen, auch bundesweit trug man den Protest und die Wut auf die Straße und vor Parteibüros der FDP [4].

Protest auch in Landau

So versammelten sich auch in Landau am Abend spontan Bürgerinnen und Bürger vor dem Wahlkreisbüro des Bundestagsabgeordneten Mario Brandenburg, um ihrer Bestürzung einen Ausdruck zu verleihen. Anlass dazu waren nicht nur die Ereignisse aus Erfurt, sondern auch Beglückwünschungen des neuen Ministerpräsidenten zur Wahl auf Facebook durch den Kreisverband Landau/ Südliche Weinstraße [5, s. Aktualisierung am Ende des Artikels]. Dieser bekräftigte damit das Handeln des thüringischen Landesverbands, während im Gegensatz dazu einige andere FDP-Mitglieder wie etwa Gerhart Baum [6] oder Alexander Lambsdorff [7] harsche Kritik übten.

Reden waren aufgrund des spontanen Zusammenkommens keine vorbereitet, wer etwas sagen wollte, konnte dies tun. Zunächst sprach AStA-Vorsitzender Moritz Ranalder einige Worte, woraufhin das Wort an den Stadtrat Julius Baur (Bündnis 90/Die Grünen) und an Stadträtin Paule Albrecht (SPD) übergeben wurde. Nach einem weiteren Redebeitrag vom Offenen Antifaschistischen Treffen Landau fand zuletzt Tanja Sattler vom Verein für Toleranz und Menschlichkeit Südpfalz e.V. (ToM) klare Worte.

Durchgehender Konsens aller Spontanreden war es, dass man sich klar gegen Faschismus, Rassismus und die AfD aussprechen müsse. Mehrfach wurde zur Teilnahme an den Gegendemonstrationen bzw. Gegenveranstaltungen, insbesondere bei Demonstrationen unter der Schirmherrschaft des sogenannten rechten „Frauenbündnis Kandel“ bzw. unter Führung von Marco Kurz, welche die Region seit zwei Jahren plagen, aufgerufen. Es solle eine laute Antwort auf den Dammbruch in Erfurt formuliert werden.

Blumen zu den Füßen

Auch der Landauer FDP warf man die Blumen hin

Die Landeschefin der Linkspartei in Thüringen, Susanne Hennig-Wellsow, warf nach der Verkündung der Wahlergebnisse dem frisch gewählten Thomas Kemmerich symbolträchtig einen Blumenstrauß vor die Füße und gratulierte ihm nicht [8]. In dieser Tradition warf man auch Blumen vor das FDP-Büro. Einige der Anwesenden brachten zudem Zettel mit kritischen Kommentaren an der Außenseite der Geschäftsstelle an.

Zum Abschluss fand sich ein Großteil der etwa 85 Teilnehmenden zu einer Spontandemonstration um den Rathausplatz zusammen. Es wurden Parolen wie „Wer hat uns verraten? Freie Demokraten! Und wer sieht dabei zu? Die CDU!“ oder „FDP, Scheißverein, lässt sich mit Faschisten ein!“ skandiert.

Aktualisierung vom 06.02.2020:

Die Landauer FDP hat ihren Post zur Beglückwünschung Thomas Kemmerichs mittlerweile von ihrer Facebookseite gelöscht [5].
Offenbar kam es auch zu Eierwürfen auf das Parteibüro, welche zum Zeitpunkt des Fotografierens noch nicht stattgefunden hatten [9].

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Quellen:

[1] https://www.mdr.de/thueringen/wahlen-politik/faq-kemmerich-ministerpraesident-thueringen-100.html (Zugriff am 05.02.2020 um 22.30 Uhr)
[2] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-11/thueringen-wahl-fdp-zieht-sicher-in-den-landtag-ein (Zugriff am 05.02.2020 um 22.30 Uhr)
[3] https://www.tagesschau.de/inland/thueringen-kemmerich-reaktionen-103.html (Zugriff am 05.02.2020 um 22.30 Uhr)
[4] https://www.mdr.de/thueringen/ministerpraesident-kemmerich-proteste-100.html (Zugriff am 05.02.2020 um 22.30 Uhr)
[5] https://www.facebook.com/fdplandau/posts/1242620499266640 (Zugriff am 05.02.2020 um 22.30 Uhr, Überprüfung am 06.02.2020 um 15.45 Uhr)
[6] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-02/gerhart-baum-fdp-thueringen-landtag-wahl-ministerpraesident (Zugriff am 05.02.2020 um 22.30 Uhr)
[7] https://twitter.com/Lambsdorff/status/1225093712646168576 (Zugriff am 05.02.2020 um 22.30 Uhr)
[8] https://www.spiegel.de/politik/thomas-kemmerich-linken-landeschefin-wirft-neuem-ministerpraesidenten-blumen-vor-die-fuesse-a-c59eb2a8-da4f-4a5e-adda-7c5c98a9b82a (Zugriff am 05.02.2020 um 22.30 Uhr)
[9] https://www.rheinpfalz.de/lokal/landau/artikel/sachbeschaedigung-an-landauer-fdp-zentrale/ (Zugriff am 06.02.2020 um 15.45 Uhr)

Bildrechte: Alessandro Stephan

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