Sonntags: Die Sonne scheint, Zeit im Zimmer fühlt sich kalt an, ich möchte fort, hier drinnen zirkuliert die Luft langsamer als draußen. Ich könnte mich auf Traumreisen begeben, fernsehen und hoffen, dass die flimmernden Bilder die Langeweile verschlingen. Oder ich steige in den Zug und fahre für ein paar Stunden nach Frankreich, und das auch noch kostenlos: Die Zugfahrt ab Landau Hauptbahnhof dauert eine halbe Stunde ich fahre durch satte Felder und sich im Wind wirbelnden Weizen, die Durchsagen sind auf Französisch und meine Vorfreude auf ein frisches Croissant steigt. Schon bin ich da, in Wissembourg. Ein kleines französisches Grenzstädtchen erwartet mich, es ist ein Fest, Menschen laufen durch die Gassen, es gibt süße Bäckereien, Schaufenster gefüllt mit Gebäck, es riecht nach Seife und in der Luft liegt sanfte Klaviermusik.
Ich laufe die Brücke entlang über den Fluss, lege mich in den Vorgarten der Kirche und fühle mich wie im Urlaub, die Sonne scheint auf das Kopfsteinpflaster, zerspringt an alten Fassaden. Am schönsten ist jedoch der Ausblick durch Fachwerkhäuser, vorbei an Rosenranken und schillerndem Wasser, direkt auf den Kirchturm. Ein Mann zeichnet den Ausblick, er macht das gut und ich betrachte ihn eine Weile.
Mich zieht es in die Natur, es ist Samstag, ich möchte in den Wald, Vögel zwitschern, das Rauschen der Blätter, die Unberührtheit der Natur hören. Ich laufe los, erst mal nach Godramstein, an den Büffeln vorbei, an der Queich entlang, später über Weinberge, ich habe ein Ziel vor Augen, eine Hütte zum Einkehren, mein Magen brummt, als ich ankomme, ich bin bereits tief im Wald, die zehn Kilometer die ich zurückgelegt habe, war ich allein. Nur ab und zu, ich musste für die anstehende Klausur lernen, las ich mir die Zettel durch, zum Auswendiglernen muss man nicht am Schreibtisch sitzen. Das schönste Erlebnis der Wanderung ist der riesige Teller Kartoffelsalat mit zwei Brotscheiben für glatte 2,50€, den es auf der Landauer Hütte gibt.
Ausflüge wie diese stillen mein Fernweh nur vorübergehend, ich möchte weiter weg, möchte Kulturen, Menschen kennenlernen, ich möchte ans Meer, in die Berge, nach Irland, vielleicht nach Albanien. Zeit habe ich, es sind Semesterferien, oh, wie sehr ich fort möchte. Ich steige in den Bus und fahre, es sind zehn, es sind zwanzig Stunden, ich lese und schlafe, betrachte die vorbeiziehende Landschaft und als ich die Tore meines neuen Heims nach schweren Schritten mit viel Gepäck erblicke spüre ich Erleichterung und das Gefühl frei zu sein ist endlich greifbar. Ich arbeite auf einem Campingplatz, die Arbeit habe ich über die Plattform Workaway entdeckt, es gibt auch ein paar Bungalows, vier Stunden am Tag, den Rest habe ich frei, Essen gibt es umsonst und die Aussicht auf das Meer, ein Bett mit dünnen Laken und kalte Duschen sind ebenfalls kostenlos. Abends gibt es Brot und wir sitzen am Lagerfeuer, die Grillen zirpen und wenn es still ist und die Funken des Feuers am Boden gelandet sind, höre ich das Rauschen des Meeres. Gleichmäßig.
Vielleicht ist das Fernweh schon gestillt, wenn ich weiß ich könnte. Ich könnte spontan nach Frankreich, und wenn ich wollte könnte ich nach Albanien, am Geld würde es nicht scheitern. Oder ich lese ein Buch, einen Artikel, tauche ab in andere Welten, ist das auch schon eine Reise?
Von Julia Buhmann
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