Anspruch contra Aktion

Betrachtung einer verunglückten Kommunikation

Autor: Yann Schosser

 

Mit Befremden habe ich gestern die Rundmail des AStA-Landau mit dem Titel „Wir brauchen Euch!“ gelesen. Normalerweise wendet sich der AStA mit ähnlichen Betreffzeilen an die Studierendenschaft, wenn ein Referat neu zu besetzen ist. Das ist allerdings nicht der Fall – die E-Mail ist damit nur ein umso interessanterer Fall einer mindestens missglückten Kommunikation an die Studierendenschaft. Ich werde die Rundmail an dieser Stelle komplett zitieren und anschließend meine Kritik daran anschließen.

 

Hallöchen liebe Studis!

Sicherlich habt ihr eure ersten Wochen in der Uni nicht nur mit Veranstaltungen, sondern auch mit Feiern verbracht, was natürlich auch zum Studileben gehört!

Wir suchen jetzt eure Erfahrungen! Warum?

In der letzten Zeit tauchten angehäuft Berichte über Lokalitäten auf, in denen Besitzer oder Besucher Meinungen vertreten, die wir als AStA so nicht tolerieren können, wollen und werden. Deshalb gründeten wir am Mittwoch einen Arbeitskreis zum Thema der Veranstaltungsorte.

Dieser Arbeitskreis braucht jetzt eure Erfahrungen mit Themen wie Sexismus, Rassismus, Homophobie, Ausgrenzung aller Art von Randgruppen, usw.

Wenn ihr also negative Erlebnisse diesbezüglich bei Partys gemacht habt, dann schreibt mir bitte eine E-Mail an XXXXXXX.

Folgende Infos sollten darin enthalten sein:

-Veranstaltungsort

-grobes Datum (Monat und Jahr wäre schön)

-Art der negativen Erfahrungen (Sexismus, Rassismus, Homophobie,..)

-Schilderung des Ablaufs

Wir hoffen auf zahlreiche Rückmeldungen und zählen auf euch.

Herbstliche Grüße und Glitzer

 

Der AStA ruft in der E-Mail Studierende auf sich mit Erlebnisberichten an einen ominösen Arbeitskreis zu wenden. Zu keinem Zeitpunkt wird erwähnt, was der AStA sich unter den in Frage kommenden Ereignissen genauer vorstellt, als „(Sexismus, Rasissmus, Homophobie,…)“, bzw. „Sexismus, Rassismus, Homophobie, Ausgrenzung aller Art von Randgruppen, usw.“. War Mensch bereits solchen Erfahrungen ausgesetzt, halte ich es für nicht besonders förderlich, derartige Erlebnisse an eine öffentliche Gruppierung zu mailen, die mir nicht einmal genau schildert, was genau sie mit diesen Berichten unternehmen möchte.

Ich gehe nicht davon aus, dass der AStA die Berichte in DIN A-3 drucken und mit Fotos der Betroffenen in der Universität aushängen möchte, so naiv werde ich an dieser Stelle nicht argumentieren. Aber der AStA ist ein politisches Gremium, das sich in drei Monaten wieder neu zusammensetzen wird. Mit keinem Wort wird in der Rundmail erwähnt, wie der AStA die anfallenden Daten, und damit die Privatsphäre der Betroffenen schützen möchte. Unser AStA hat ein Referat für Datenschutz, dessen Aufgabe es doch eigentlich sein muss speziell in solchen Fällen, in denen der AStA selbst Daten erhebt, beratend zur Seite zu stehen und solche Bedenken mit einzubringen. Die Arbeit mit Betroffenen setzt zudem ein Vertrauensverhältnis und ein Mindestmaß an Anteilnahme voraus.

Es wirkt höchst unsensibel, einen Menschen, der bereit ist über eine u. U. für sie/ihn sehr erniedrigende oder verletzende Erfahrung zu berichten derart unpersönlich abzuhandeln. Einen solch lapidaren, ja beinahe lieblosen Aufruf kann ich starten, wenn es Beschwerden über das Essen in der Mensa oder Anwesenheitslisten in Vorlesungen gibt.

Der Arbeitskreis wird vorgestellt als „Arbeitskreis zum Thema der Veranstaltungsorte“, kein Wort wird darüber verloren, was eigentlich genau der Arbeitsauftrag dieses Arbeitskreises ist. Soweit ich mich erinnere ist dies aber eine relativ logische Grundvoraussetzung für die Gründung eines Arbeitskreises. Damit müsste dieser Arbeitsauftrag bereits feststehen und wurde in der E-Mail schlicht nicht genannt. Es erscheint doch etwas dreist, einen möglicherweise intimen Erfahrungsbericht anzufordern, ohne der einreichenden Person zu erläutern, wozu dieser Bericht verwendet wird. Auch die Mitglieder des Arbeitskreises zu nennen und auf die Termine der Treffen hinzuweisen wird versäumt. Dort bestünde doch sicherlich auch die Möglichkeit sich mit Erfahrungen einzubringen und das Anliegen des AStA (sofern es einem zusagt, wir kennen es ja noch nicht) zu unterstützen.

Unabhängig von der Situation der Betroffenen finde ich aber auch einige Formulierungen in der Mail des AStA sehr unglücklich:

 

In der letzten Zeit tauchten angehäuft Berichte über Lokalitäten auf, in denen Besitzer oder Besucher Meinungen vertreten, die wir als AStA so nicht tolerieren können, wollen und werden.

 

Puh. Was sind Meinungen, die der AStA nicht tolerieren kann, will und wird? Was bedeutet es für Besucher(*innen) und Besitzer(*innen), wenn sie die Intoleranz des AStA auf sich ziehen? Ich finde Rassismus, Sexismus, Homophobie und Diskriminierung von Minderheiten nicht erhaltenswert, aber wie zur Hölle will der AStA zwecks Stellung darauf Einfluss nehmen. Die einzige Option ist in der direkten Einwirkung auf die Betreiber*innen die Kooperation bei Kneipentouren oder Partys einzustellen. Einfach nur plakativ gegen solche Lokalitäten vorzugehen bringt ansonsten aber nicht viel. Die Ausgrenzung von Menschen, deren Verhalten nicht passt ist ja keine Behebung des eigentlichen Problems. Die Besitzer*innen und Besucher*innen werden ihr Verhalten und Einstellung kaum deswegen ändern.

Wichtiger erscheint es mir aus Sicht des AStA, der gewiss über die strukturellen Möglichkeiten dazu verfügt, eine Aufklärung über die verschiedenen Formen der Diskriminierung zu leisten und Studierende (aber gerne nicht nur die) zu informieren und zur Reflektion zu bewegen. Der aktuelle Aktionismus erscheint angesichts der E-Mail doch relativ planlos und aufgesetzt.

Zu guter Letzt gilt auch für die Beschuldigten eine gewisse Wahrung der Privatsphäre. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden diese in den Erfahrungsberichten teilweise direkt genannt oder sehr leicht identifizierbar beschrieben. Ich bin nicht der Ansicht, dass menschenverachtende Aktionen in irgendeiner Form geschützt oder unterstützt werden müssen. Der AStA ist jedoch keine Instituion der Strafverfolgung und sollte äußerst vorsichtig mit diesen Angaben sein, da sie noch kein Beweis dafür sind, dass sie sich auch tatsächlich exakt so ereignet haben. Ist es der Fall, so sollte eine betroffene Person, wenn sie bereit ist sich dem AStA gegenüber zu öffnen (für den keine berufsbedingte Schweigepflicht zu vertraulichen Angaben besteht), sich auf jeden Fall auch an die Polizei wenden, um die Täter*innen rechtlich in Haftung für Ihre Taten zu nehmen.

Am Montag (23.10.2017) wird die E-Mail, bzw. der angekündigte Arbeitskreis, sicher auch Thema auf der Sitzung des Studierendenparlamentes (20 Uhr) sein. Wer Interesse daran, bzw. Fragen an den AStA hat, sollte sich also morgen Abend frei halten.

 

3 Kommentare

  1. […] bedanken uns bei Yann Schosser und der La.Uni für den Hinweis auf dieses intolerante und vielfaltshassende Verhalten des […]

    Liebe*r adminsuw,

    der Dank ist ganz meinerseits, mit Ihrem Artikel erweitern Sie den Leser*innenkreis meines Artikels auf Personen, die sich sonst nicht so ohne weiteres auf unserer Homepage umsehen.

    Gerne können Sie auch diesen Artikel von mir bewerben:

    http://www.la-uni.org/2017/10/23/die-neuentdeckung-der-demokratie/

    Zudem bieten Sie mir eine gute Möglichkeit Ihr politisches Handeln einer kritischen Analyse am konkreten Beispiel zu unterziehen.

    Dankeschön schonmal im Voraus,

    Yann Schosser
    Chefredakteur La-Uni
    chefredaktion@la-uni.org

    PS: Wir von der La-Uni vertreten unsere Meinungsfreiheit natürlich unter Nennung von Klarnamen

  2. Disclaimer, meine ganz persönliche Meinung

    Lieber Yann,

    ich teile deine Kritik an der Rundmail zu einem kleinen Teil. Sicherlich wird aus dem kurzen Text die genaue Absicht des AK nicht bekannt, andererseits steht es jedem / jeder frei danach zu fragen. Auch der Redaktion steht dies frei.Die Wege an der Uni sind kurz, zumindest innerhalb der Studierenschaft. Der AStA geht mit personenbezogenen Daten im AStA vorsichtig um, dies sollte dir aus deiner Zeit im AStA bekannt sein (löschen wenn nicht benötigt). Über eine anonyme Möglichkeit der Kontaktaufnahme hat er auch nachgedacht, offline geht dies bereits über den Briefkasten, online eventuell über tellonym. Der AStA fungiert im Fall der Fälle immer als Proxy für die Studis, denn ihm ist der Quellenschutz wichtig

    Um der Kritik aber nachzukommen, hier die Absicht des AK.
    Großes Ziel: „Sexismus, Rassismus, Homophobie, Ausgrenzung aller Art von Randgruppen, usw.“ aus den Lokalitäten in Landau verbannen. Schritte die dafür nötig sind: Fallbeispiele sammeln und gegebenenfalls mit den BetreiberInnen/ EigentümerInnen der Lokalitäten sprechen.
    Nächster Schritt: Falls nötig, gemeinsame Konzepte mit den Lokalitäten überlegen um Situation zu ändern.
    Ist dies nicht gewünscht oder wird ein solches Verhalten geduldet oder sogar unterstützt kann der AK auch öffentlich dazu Stellung nehmen. In dem Fall wäre es auch keine üble Nachrede oder Verleumdung sondern Fakt aus erster Hand.

    Auf den Mumpitz der Blauen werde ich an der Stelle nicht eingehen, außer KEIN BIER FÜR NAZIS. Wenn Sexismus, Rassismus, Homophobie, Ausgrenzung aller Art von Randgruppen, usw. für sie Werte sind die Platz in einer Gesellschaft haben, dann werde ich nicht still sitzen und dies dulden. Jede/r von uns trägt die Verantwortung menschenverachtendes Verhalten zu unterbinden.

    • Hallo Sebi,

      vielen Dank für Deinen Kommentar und Deine Stellungnahme.

      Der Artikel (meiner, nicht der der AfD) bezieht sich eben sehr deutlich
      auf den Aspekt der missglückten Kommunikation. Wenn der AStA ein
      Interesse an diesen (teilweise eben sehr privaten) Informationen hat,
      muss er m.E. von Beginn an besonders auf den Schutz der Informierenden
      und deren Privatsphäre achten und sollte diesen auch das Gefühl geben
      sich dort sicher zu fühlen.

      Ja, ich weiß, dass Du im AStA als Datenschutzreferent sehr gute Arbeit
      leistest, daran habe ich auch keine Zweifel. Es blieb beim Lesen der
      Rundmail aber das Gefühl, dass diese völlig die Sichtweise auf jene
      Menschen ignoriert, die die Informationen an den AStA geben sollen.
      Da wäre es aus meiner Sicht eben wünschenswert gewesen, deutlich zu
      machen, dass die Daten vertraulich behandelt werden und Mechanismen
      (wie inzwischen mit dem Briefkasten auch kommuniziert) vorzustellen,
      die das auch für die Rezipient*innenseite deutlich macht. Einerseits
      als Pflicht des AStA, im Verhältnis dessen was dort eingefordert wird
      und andererseits auch aus der Logik, dass dadurch sehr wahrscheinlich
      auch mehr Menschen bereit fühlen zu partizipieren (was ja nur wünschens-
      wert aus Sicht des AStA ist).

      Der Verweis darauf, dass mensch einfach zum AStA gehen und nachfragen
      kann greift meines Erachtens in diese Situation ein bisschen zu kurz.
      Generell bin ich der Ansicht, dass Studierenden nicht alles haarklein
      erklärt werden muss und es in der eigenen Verantwortung der Leute liegt
      sich zu informieren und zu wissen wo die Informationen zu finden sind.
      In diesem Fall aber fordert der AStA direkt etwas ein, damit geht für
      mich dann aber auch eine höhere Bringschuld einher.

      Ich weiß wir sind hier auch alle keine „Profi-Journalist*innen“ und „Profi-
      Politiker*innen“, dennoch mache ich das hier bei der La-Uni, weil ich es
      interessant finde ein Forum zu schaffen und die Menschen, die die La-Uni
      lesen (das sind auch nicht allzu viele, da bilde ich mir auch nichts drauf
      ein) mit den Artikeln die ich schreibe zum Nachdenken und Hinterfragen von
      Sachverhalten zu bringen. Bei aller Akzeptanz, die für die zu Grunde liegende
      Absicht des AStA (Minderung von Diskriminierung, oder?) meiner Ansicht nach
      geboten ist, so muss doch die Umsetzung genauso kritisch hinterfragbar bleiben,
      wie vor dem Hintergrund anderer Anliegen. Nur weil die Absicht gut zu heißen
      ist, ist die Umsetzung noch lange nicht vor Fehlern gefeit.

      Was die AfD angeht, deren Artikel wirkt sehr hastig geschrieben und logisch
      nicht wirklich gut aufgebaut. Da war die Gier auf die mögliche Empörung unter
      den Anhänger*innen und die Profilierung für die Partei zu groß. Das reicht
      dann halt für die realistisch angepeilte Zielgruppe (2 Facebook-Fans,
      insgesamt 45 Klicks auf meinen Artikel von deren Website, so richtig online
      einen draufmachen sieht anderst aus), den Rest müssen sie sich dann halt dazu
      träumen. So what, ich fand es persönlich ganz nett, dass ich mich mit deren
      Agitationsschema auseinandersetzen konnte.

      Auf weiterhin gute Gespräche, gerne auch mal wieder in Persona und
      nicht in der Kommentarspalte. Vll im Fatal? Oder bei Dir/mir?

      Liebe Grüße

      Yann

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