Nach meiner Geburt und anschließenden zwölf Jahren Kindheit in Potsdam, der Brandenburger Hauptstadt im Windschatten Berlins, brach der zugegebenermaßen unfreiwillige Heimatwechsel Richtung Landau über meinem Kopf zusammen wie eine bröselige, aber deswegen nicht minder unkomfortable Lawine. Ich war unzufrieden mit meinem plötzlich eingetretenen Leben auf dem Winzerdorf Ilbesheim, mit den seltsamen Busgepflogenheiten – warum zur Hölle kündigt keine freundliche Automatenstimme die nächste Haltestelle an? – und mit dieser nestlich verschlafen wirkenden Stadt, in der wirklich jede Wegstrecke fußläufig bestreitbar ist.
Bis heute wurde ich gehörig eines Besseren belehrt und weine mir die Augen aus dem Kopf angesichts meines drohenden Abschieds. Dass Glück nicht ortsgebunden ist, wird keine bahnbrechende Erkenntnis sein. Trotzdem bin ich beinahe verblüfft davon, in welchem Maße mir Landaus Bewohner und die gesamte Gegend in den vergangenen acht Jahren ans Herz gewachsen sind. Es hat viel Zeit gekostet, mir die französisch geprägte Anmut der hiesigen Architektur offenkundig zu machen, den Charme der beinahe allseits herrschenden familiären Atmosphäre, sowie die putzige Ironie hinter jener häufig getroffenen Aussage: „Ehrlich gesagt bin ich bloß deshalb in Landau gelandet, weil der NC hier so niedrig ist.“ Auf die eine oder andere Art und Weise lädt diese Kleinstadt zum Versacken ein. Selbst solche, die seit geraumester Zeit darüber wettern, welch kulturelles und politisches Totholz Landau sei, haben sich oft noch nicht gänzlich lösen können. Teils nicht einmal ansatzweise. Weshalb ist Landau so lebenswert?
Die Peergroups
Meine Gebundenheit an einen Ort steht in direkt proportionalem Verhältnis zum Vorhandensein dort wohnhafter liebenswerter Menschen. Bezüglich dessen darf Landau nicht unterschätzt werden. Nicht selten war ich mir mit anderen darüber einig, dass diese Stadt irgendetwas Besonderes an sich haben muss, schließlich hört mensch zahlreiche Berichte von ungewöhnlich starken Beziehungen in eng verschwurbelten Freundeskreisen, die in den hierigen Gefilden geknüpft wurden. Und dennoch sind alle einander bekannt. Unmöglich, einen Fuß in den City REWE zu setzen, ohne von mindestens einer Handvoll vertrauter Gesichter über den aktuellen Gossip, jegliches Wohl- oder Wehbefinden und soziale Zusammenrottungen á la „Heute Spieleabend im Nordring?“ in Kenntnis gesetzt zu werden.
Die durchzechten Nächte
Die Pfalz lebt vom Wein, und nicht anders verhält es sich mit den Pfälzern. Ob nun einheimisches Urgestein oder zugezogener Hochschul-Sprössling: die Lust aufs Saufen verbindet. Und die Optionen sind so vielfältig wie das regionale Sortiment, wenn es um alkoholische Flüssigware geht. Ein von irischen Händen gezapftes Guinness im Brennan’s Pub, der von Sommeliers geschätzte Silvaner bei einer privaten Weinverkostung, der Kasten Oettinger auf der Wohnzimmercouch oder flaschenweise Berliner Luft in der Unikneipe. Wer’s nicht auf‘s Gegenteil anlegt, muss auf keinen Fall mit Erinnerungen an die letzte Nacht den neuen Morgen beginnen!
Die formidable Landschaft
Outdoorer*innen sollten in der Toskana Deutschlands definitiv auf ihre Kosten kommen. Dafür ist nicht einmal ein Tagesausflug an die Kletterwände und Zeltplätze des Pfälzer Waldes von Nöten, bereits ein Blick auf den liebevoll angelegten Schillerpark oder den urig anmutenden Forst lässt die Naturfreunde- und Picknickerherzen höher schlagen. Mit etwas botanischem Glück und ausreichend Sonne kann sommers sogar ein Balkonfrühstück mit garteneigenen Feigen zum Tagesprogramm gehören.
Die Kunst
Offen gesagt, die kulturellen Erlebnisse von der beeindruckendsten Sorte hatte ich nicht in Landau – davon sollte mensch sich jedoch nicht direktemang abschrecken lassen. Das Nationaltheater Mannheim ist anderthalb Zug- und Straßenbahnstunden entfernt und bietet ein wirklich schönes Programm mit ansprechendem Ensemble. Ballett- und Opernfreunde dürften auch vom Staatstheater Karlsruhe (in ähnlicher geografischer Distanz) nicht abgetörnt sein. Über das Angebot der Kunsthalle Mannheim berichtet die La.Uni im besten Fall regelmäßig, und auch Heidelberg ist höchstens so fünfundsechzigtausend gekonnte Steinwürfe weit weg.
Doch selbst Landau kann mit mehr oder weniger geschmackvollem Entertainment aufwarten. Das Universum Kino in der Königstraße ist eine kuschelige Empfehlung wert, die Galerie Z im Frank-Loebsche-Haus bietet kostenfreie Ausstellungen teilweise namhafter Künstler und Werke, die Expositionen in der Galerie Katrin Hiestand zeigen lokale Kunst und das Heimatmuseum fiebert seiner Restauration entgegen.
Die kulinarischen Perlen
Ich gebe es zu, die Titulierung ist etwas hochtrabend. Aber immerhin kann Landau sich mit gleich zwei Michelin-Sterne-Küchen brüsten. Ansonsten dürfte jeder, vom Fünf-Bäuerlein-Fan bis zum Memo’s-Missionar, fündig werden. An Gastronomie mangelt es in unserer lieben Kleinstadt nicht.
Die gesparten Dukaten
Jeden Dienstag öffnet der Ruhango-Kigoma-Markt seine Pforten, um den verträumten Bummlern und exzessiven Shoppern die Möglichkeit des Ramschens und Verwertens zu offerieren. Für kleines Geld wurden hier schon große Fünde getätigt. Die verprassten Scheine und Münzen kommen hinterher Landaus Partnergemeinde in Afrika zugute.
Gewillte Foodsharer*innen können sich außerdem im studentischen Aufenthaltsraum der Universität, bei der katholischen Hochschulgemeinde (Moltkestraße 9) oder neben dem Eingang der Haardtstraße 7b gütlich tun.
Also, hereinspaziert, liebe Landau-Novizierende, lasset euch von den Vorzügen des pfälzer Kleinstadtlebens verführen!
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