„Freiwilliges Soziales Jahr – In Zukunft Pflicht?“

Ein Debattenabend im Gloria

Am 23.01 lud der Schwerpunkt Rhetorik zusammen mit dem Debattierklub und Campus Grün zu einem Debattenabend im Gloria. Hierbei debattierte Campus Grün gegen den Debattierklub im zufällig gewählten Thema: „Freiwilliges Soziales Jahr – In Zukunft Pflicht?“. Für die die es verpasst haben sind hier die zentralen Argumente der Sprecher zusammengefasst.

Ein Abend, sechs Teilnehmer, ein Thema. Zur Klärung der Streitfrage wurde das Mittel der Parlamentarischen Debatte genutzt. Dabei wurde die Seite, welche sich für das Thema aussprach – in diesem Falle also für ein künftiges Soziales Pflichtjahr für alle – als „Regierung“ oder „Pro“-Seite bezeichnet, die Seite, die sich dagegen aussprach, war die „Opposition“ oder einfach „Kontra“-Seite. Wer auf welcher Seite stand, wurde zufällig ausgelost – in diesem Falle vertrat der Debattierklub die Regierung, Campus Grün die Opposition. Der Gewinner wurde nach der Für- oder Gegensprache von drei (zu Beginn) unparteiischen Sprechern durchs Publikum bestimmt. Die Parteien hatten begrenzte Redezeit und durften sich gegenseitig unterbrechen oder ergänzen. Jede Seite wurde durch drei Sprecher vertreten.

Lukas Benner vom Campus Grün sprach in seinem Eröffnungsstatement zunächst über den Wert der Freiheit und die Notwendigkeit für Selbstorientierung nach der Schulzeit. Er argumentierte, dass ungeschultes Personal im Pflegebereich nur wenig Nutzen hätte, da sie mangelnde Pflege walten ließen. Dies läge an mangelnder Ausbildung wie auch dem Mangel an einem bundesweiten Mindestlohn für solche Hilfskräfte. Die Nutzung von FSJ-lern für Tätigkeiten unter Zwang bezeichnete er als „Halbsklaverei“ und forderte mehr Lohngerechtigkeit.

Nico Schmitz vom Debattierklub, für die Regierung, für das verpflichtende soziale Jahr, meinte, die Leute würden so mehr lernen eher auf andere zu zugehen und erklärte, dass sie so neue Werte hautnah vermittelt bekommen würden und es einen hohen Nutzen für persönliches Wachstum hätte. Rasmus Möring ergänzte dies, indem er erklärte, wie viel er persönlich gewonnen hätte, dass es die Selbstfindung nach der Schule fördern würde, wenn man ein FSJ machen würde. Er führte an, dass die Abbrecherquote im Studium bei FSJ-Absolventen viel niedriger wäre, dass junge Erwachsene mehr Empathie lernen würden, wenn sie schon vor dem Arbeitsleben soziale Berufe ungezwungen ausprobieren könnten. Er fuhr fort, dass man real anwendbare Fähigkeiten erlernen würde, wie man etwa Krankmeldungen korrekt einreicht oder Rechnungen bearbeitet. Als Abschlusspunkt der Eröffnung fragte er, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen würden und antwortete selbst: “-In den Zeiten globaler Krisen haben wir die Pflicht eine solidarische Gesellschaft zu entwickeln.-“

Phillip Hero (Campus Grün) für die Opposition sagte, junge Leute seien keine Fachkräfte, würden teilweise aber so eingesetzt. Er stellte in Frage „wie viel man [bei einem FSJ (Anm. R.B.)] wirklich mitnimmt, da man eher Kaffee kochen muss und eher Sachen für die richtigen Fachkräfte vorbereitet“. Er fuhr fort, man könne „-das Versagen des Bildungssystem nicht auf sowas abwälzen.“ Die Idee ein verpflichtendes Soziales Jahr einzuführen, sehe er als fragwürdig an, da viele Schulabgänger noch minderjährig wären und dann ohnehin in ihren Möglichkeiten eingeschränkt seien. Ein „Zwangsjahr“ würde die Freiheit eher einschränken statt sie zu fördern.

Möring warf ein, dass der Mehrwert unterschätzt wird. Hero erwiderte, dass man „natürlich auch beim Straßenkehren was lernen kann“ und machte deutlich, dass es nicht darum ginge, den Wert der Freiwilligenarbeit herab zu würdigen, sondern die Rolle der Entscheidungsfreiheit hervor zu heben. Zwang könne kein Mittel sein, um Vorurteile zu verändern oder Empathie zu erzwingen. Moralisch-Ethische Werte müssten in unserer Gesellschaftsmitte wieder gefördert werden.

Hiernach hatten die freien Redner die Möglichkeit, eine Meinung abzugeben. Den Anfang machte Markus Klein. Er beklagte, dass die Wertschätzung für Sozialberufe bei jungen Menschen natürlich wenig gegeben sei, wenn sie im Elternhaus der Gesellschaftsmitte doch nicht vorhanden sei. Er sprach sich für ein verpflichtendes Freiwilliges Soziales Jahr aus, betonte aber, dass es Fördermöglichkeiten geben müsste, damit junge Menschen dafür potenziell auch von zu Hause aus ziehen können müssten, wenn sie das möchten, um bei dieser Erfahrung auch getrennt von der Familie herausfinden können, wer sie wirklich sind und was sie im Leben wollen würden. Es müsste für junge Menschen also möglich sein, wirklich unabhängig zu leben, wenn die Selbstfindungsfunktion eines FSJs voll ausgeschöpft werden sollte.

Als nächster freier Redner trug Marcel Maurice Matthies, wissenschaftliche Hilfskraft an der Uni Landau, seine Sichtweise bei. Er differenzierte, dass es zwei grundlegende Sichtweisen zum Freiwilligen Sozialen Jahr gäbe: Die, welche es als einen Zuwachs an Freiheit, und die welche es als Eingrenzung der Freiheit sehen. Er stimmte zu, dass die finanzielle Entschädigung zu niedrig ist, stellte sich aber dennoch klar auf die Regierungsseite. Er legte dar, dass viele junge Menschen sich an Universitäten einschreiben würden, ohne eine klare Vorstellung davon zu haben, was sie vom Leben wollten und nach einem Jahr das Studienfach wieder wechseln würden, weil es nicht das richtige wäre. Er machte deutlich, dass dies nichts Schlechtes wäre, dass es diesen Menschen aber vielleicht geholfen hätte, ihren Weg früher zu finden, wenn sie zwischen Schule und Studium noch einen direkteren Einblick ins Berufsleben gehabt hätten, statt Zeit damit zu verbringen, etwas zu studieren, was vielleicht nicht das Richtige für sie sei und womit sie durch BaföG-Bezüge evtl. bereits Schulden in diesen Bereichen aufgebaut hätten.

Die Opposition warf ein, dass die Regierung viele Arbeiter in sozialen Berufen nicht genug schätzen würde, dass sie zu schlecht bezahlt würden und allgemein unter widrigen Bedingungen arbeiten müssten. Dass es unverschämt wäre, Leute in Berufsbilder zu zwingen, die so schlecht gefördert wären.

Als letzter freier Redner gab Cyrus Mobasheri, Lehrbeauftragter an der MD.H München, seine Sichtweise ab. Er begann mit dem Stichwort der Generationengerechtigkeit. Er sprach über Zivis, die früher vor allem in der Altenpflege gearbeitet haben, und von den Alten, die damals gepflegt wurden – „oft jene, welche Deutschland nach dem Krieg wieder aufgebaut haben“. Er fuhr fort, „heute pflegen wir die Leute, welche reicher waren als die Generation vorher oder danach, die Klimawandel ignoriert haben. Die mit Waffenhandel und mit dem Verschwenden von Ressourcen reich geworden sind. Das ist nicht gerecht. Die lebten auf Kosten der Jugend und haben auch noch viel weniger Kinder gekriegt, was zum Generationenkonflikt erheblich beigetragen hat.“ Er stellte sich auf die Seite der Opposition.

Hiernach folgten die Abschlussstatements der Regierung und Opposition. Die Regierung erklärte, die Generation, die das Land aufgebaut hat, hätte es auch zerstört. Sie betonte, dass, unabhängig dessen, wer was geleistet hat, Würde im Alter ein grundsätzliches Recht sein müsse. Es würde anerkannt, dass viel falsch gemacht wurde und bedauernd zugegeben, die Kinder müssten immer die Fehler der Älteren ausbaden – nicht nur in diesem Falle.

Die Opposition führte durch Laura Jung (Campus Grün) zum Abschluss noch einmal ihre Kernpunkte an. Sie hielten weiter für wichtig, dass Menschen ohne Zwang arbeiten würden und betonten, dass FSJ-`ler keine Fachkräfte wären und sie auch nicht so eingesetzt werden sollten. Junge Menschen müssten selber wählen, wie sie sich wo einbringen wollten.

Die Regierung (vertreten durch Philipp Müller) entgegnete in ihrer Abschlussrede, dass die Gesellschaft ab dem 6. Lebensjahr jeden zwänge in die Schule zu gehen, was für viele gut zu funktionieren scheine. Zu sagen, dass es ein Versagen des Bildungssystems sei, wenn jemand in der Schule nicht lernt, wie das Berufsleben funktioniert, sei verfehlt, so Müller, da dies nicht die Aufgabe der Schule sei. Im FSJ würde man andere Eindrücke erhalten als in der Schule oder im Berufsleben – Eindrücke, die einen wertvollen entwicklungspolitischen Einfluss auf junge Erwachsene haben könnten.

Nach den Schlussargumenten wurde durch das Publikum abgestimmt. Mit knapper Mehrheit hätte nach erster Zählung der Debattierklub gewonnen – man einigte sich dann aber auf ein freundliches Unentschieden. Laura Jung von Campus Grün wurde als beste Sprecherin des Abends bestimmt. Allen Teilnehmer*innen wurde die Teilnahme mit Honig und Tassen aus dem Uni-Shop gedankt.

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