Fritz Bauer: „Das Verbrechen und die Gesellschaft“

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Letzte Woche ging es um Adolf Eichmann und heute will ich euch einen Mann vorstellen, der eine maßgebliche Rolle bei der Festnahme Eichmanns gespielt hat: der jüdische Staatsanwalt Fritz Bauer.

Ich glaube, es ist eine traurige Wahrheit, dass wir unserem Affenzustand noch recht nahe sind und dass die Zivilisation nur eine sehr dünne Decke ist, die sehr schnell abblättert.“ (Tonaufnahme von Fritz Bauer in der Frankfurter Ausstellung „Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht (2014))

Leben vor dem Nationalsozialismus

Fritz Bauer wurde in Stuttgart 1903 geboren und ging dort auch zur Schule. Mit 17 Jahren tritt er der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) bei. In Heidelberg, München sowie Tübingen studierte er später Rechts- und Wirtschaftswissenschaften und promovierte beim späteren ersten Ministerpräsidenten Hessens Karl Geiler. Mit 26 Jahren wurde er der jüngste Amtsrichter in der Weimarer Republik.

Die Frage nach den Wurzeln des Nazismus ist […] auch immer eine Frage nach der Empfänglichkeit breitester Schichten für seinen Ungeist und nach der Bereitschaft Vieler, ja allzu vieler Menschen zur Komplizenschaft.“ (Fritz Bauer, die Wurzeln des faschistischen und nationalistischen Handelns, Kap. V, 1961)

Flucht aus Deutschland

Als Jude war die NS-Zeit für Bauer von Verfolgungen und Flucht geprägt. Nachdem er einen Generalstreik mitplante, verlor er seinen Job und kam 1933 ins Konzentrationslager Heuberg. Nach 8 Monaten wurde er entlassen und wanderte nach Dänemark aus. Dort wurde er aufgrund angeblicher homosexueller Neigungen von der Polizei beobachtet. Nach der Besetzung Dänemarks wurde er verhaftet und tauchte danach unter. Auch eine Scheinehe mit einer Kindergärtnerin schützte ihn nicht. Um weiteren Inhaftierungen zu entgehen, floh das Paar nach Schweden, wo er zusammen mit Willy Brandt die Zeitschrift „Sozialistische Tribüne“ gründete.

Als das Grundgesetz geschaffen wurde, das den Rechtsstaat, die Freiheit und Gleichheit aller Menschen sanktionierte, fuhr ich nach Deutschland zurück. Schon einmal war die deutsche Demokratie zu Grunde gegangen, weil sie keine Demokraten besaß. Ich wollte einer sein“. (Bauer 1963)

Verfolgung von NS-Verbrechen

1945 ging Bauer erst nach Dänemark und vier Jahre später wieder nach Deutschland (Braunschweig) zurück. Ein Jahr später wurde er Generalstaatsanwalt.

In Deutschland beschäftigte Bauer sich mit der Aufarbeitung von Verbrechen in der Kriegszeit. Eine Beschäftigung, die ihn in eine Außenseiter-Rolle drängte und für welche er auch Drohschreiben bekam. Viel Aufmerksamkeit brachte ihm der Remer-Prozess. Otto Ernst Remer hatte die Attentäter des 20. Juli 1944 auf Hitler mehrmals als Landesverräter betitelt. Einige Gerichte in Westdeutschland waren derselben Auffassung. Bauer wollte im Prozess gegen Remer zeigen, dass es rechtens ist, Widerstand gegen Verbrechen der Regierung zu leisten. Das Gericht stimmte seiner Argumentation zu und verurteilte Remer 1952. Dieses Urteil war eines, welches die Sicht in den Medien und auch der Gesellschaft gegenüber NS-Verbrechen grundlegend veränderte.

Wenn ich mein Dienstzimmer verlasse, betrete ich feindliches Ausland.“ (erinnertes Zitat von Bauer)

Ein weiteres wichtiges Gerichtsverfahren, das wir schon letzte Woche behandelt haben, war der Prozess gegen Adolf Eichmann, einen der führenden Köpfe bei der Deportation von Juden in ganz Europa. Bauer hatte herausgefunden, wo sich der flüchtige Nationalsozialist befand und gab diese Information an israelische Geheimdienste weiter, welche diesen später festnahmen und vor Gericht stellten. Der Eichmann-Prozess wurde weltweit verfolgt.

Auch bei den Frankfurter Ausschwitzprozessen 1963 bis 1968 spielte Bauer eine entscheidende Rolle. Er kümmerte sich um die Anklage gegen das SS-Personal von Konzentrations- und Vernichtungslagern. Jedoch kam es am Ende nur zu Strafen wegen „Beihilfe zum Mord“.

Im selben Jahr wird Bauer mit 64 Jahren tot in seiner Badewanne gefunden. Eine Kombination von Alkohol und Schlaftabletten sorgten für ein Herzversagen. Suizid oder ein Fremdverschulden wurden von der Staatsanwaltschaft ausgeschlossen.

Nichts gehört der Vergangenheit an, alles ist noch Gegenwart und kann wieder Zukunft werden.“ (ein Zitat Bauers, das auch auf Briefmarken zu finden ist, veröffentlicht in der Wochenzeitung „DIE TAT“, 1964)

Zeitschriften und Veröffentlichungen:

Bauer spielte eine Rolle bei der Veröffentlichung vieler Zeitschriften und Bücher, darunter:

→ „Sozialistische Tribüne“ (1944/45) mit Willy Brandt

→ „Die neue Gesellschaft“ (1954) als Gründungsherausgeber

→ „Das Verbrechen und die Gesellschaft“ (1957)

→ „Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns“ (1961) – ein Vortrag, den Fritz Bauer 1960 hielt

Filme:

→ „Der Staat gegen Fritz Bauer“ (2015) – verfügbar auf Netflix

→ „Die Akte General“ (2016) von ARD

→ „Im Labyrinth des Schweigens“ (2014)

→ „Fritz Bauer – Generalstaatsanwalt. Nazi-Jäger“ (2016) von Arte Frankreich

„Ich würde mir wünschen, dass junge Leute von heute vielleicht denselben Traum von Recht besäßen, den ich einmal hatte; und dass sie das Gefühl haben, dass das Leben einen Sinn hat, wenn man für Freiheit, Recht und Brüderlichkeit eintritt.“ (Fritz Bauer in einem Interview)

Quellen:

Eimermacher, Stefanie: Biografie Fritz Bauer, in: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/biografie/fritz-bauer.html
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https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.wuerdigung-der-jurist-als-kaempfer-fritz-bauers-vermaechtnis.fad7b9b7-d8b6-471c-b2c2-5e100e888904.html (abgerufen am 18.08.21 um 15:45 Uhr)

https://www.spiegel.de/kultur/tv/die-akte-general-ard-film-ueber-fritz-bauer-a-1078813.html (abgerufen am 16.05.21 um 13:03 Uhr)

https://www.sueddeutsche.de/medien/ard-film-die-akte-general-der-unbeirrbare-fritz-bauer-1.2876151 (abgerufen am 17.05.21 um 20:08 Uhr)

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.nazianklaeger-fritz-bauer-einmalig-wie-alles-menschliche.51c51314-a3ae-4787-9aa1-d63182ed5b9f.html (abgerufen am 14:05.21 um 19 Uhr)

https://www.planet-wissen.de/geschichte/nationalsozialismus/auschwitz/pwiefritzbauer100.html (abgerufen am 17.05.21 um 22:21 Uhr)

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